Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
sagen kannst, dass du wirklich nicht mit mir zusammen sein wirst. Du weißt genauso gut wie ich und er, dass du deinen Hof nicht für die Liebe opfern willst. Du bist ihre Königin. Könntest du ihnen sagen, dass ihr Tod, ihre Verwundbarkeit, ihr Hof dir so wenig bedeuten?«
»Nein.«
»Kannst du sagen, dass du mich nicht willst?«, fragte er herausfordernd.
Ashlyn wandte den Blick ab, aber Keenan legte seine Hand an ihre Wange und drehte ihr Gesicht wieder zu sich. »Ich bin dein König, Ashlyn. Seth sieht eine mögliche Zukunft, in der du dich entscheidest, mir zu gehören.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil Seth derjenige ist, der mir heute geholfen hat, Bananach abzuwehren.«
Als sie nach einigen Augenblicken noch nichts erwidert hatte, fragte Keenan: »Wie lautete die Nachricht, die du mir geschickt hast?«
»Keenan …«
»Mit welcher Nachricht wolltest du mich nach Hause locken, Ashlyn?«
Die Sommerkönigin antwortete mit fester Stimme: »Ich habe Tavish angewiesen, dir eine Nachricht zu schicken, damit du nach Hause kommst. Nicht die Wahrheit, sondern eine irreführende Nachricht, eine Elfenmanipulation.«
»Wie lautete die Nachricht, Ashlyn?«
»Dass ich bereit bin, mich von dir rumkriegen zu lassen«, gestand sie.
»Dann werde ich es auch schaffen.« Mit einer dieser elfenschnellen Bewegungen, die sie früher so irritiert hatten, setzte Keenan sich auf, so dass er Knie an Knie mit ihr saß. »Ich werde dir gehören, und nur dir, für alle Ewigkeit. Wir werden mit dem Hof von hier wegziehen.«
»Aber ich habe das doch gar nicht ernst gemeint.«
»Eine Woche«, sagte er. »Dann sind wir zusammen, oder ich gehe. Ab dann werde ich alles Erforderliche aus der Ferne tun. Das ist zwar nicht die Art, wie ein Hof regiert werden sollte, aber wenn es nötig ist, geht es auch so. Ich werde nicht hierbleiben und gegen unsere Natur ankämpfen. Wir werden zusammen sein oder uns nicht mehr sehen.«
»Du bist nicht fair, Keenan.«
»Nichts von alldem ist fair, Ashlyn.« Er fuhr mit den Fingern durch ihre Haare, und Blütenblätter regneten auf sie herab. »Die Unentschiedenheit hält uns davon ab, glücklich zu sein, und sie schwächt den Hof. Ich könnte dich glücklich machen.«
Dann zog er seine Hände weg, und als er das tat, fiel Sonnenschein auf sie herab. Weinranken wanden sich das Bett hinauf und erblühten von einem Moment zum anderen. Irgendwo in der Ferne hörte sie Wellen an den Strand schlagen, und Ashlyn rutschte ein Stück nach hinten.
Sie zwang sich, die Augen offen zu halten. »Ich wollte bloß, dass du zurückkommst.«
»Und hier bin ich.« Keenan kniete sich mitten in dem Meer aus Sommerblüten vor sie hin. »Wir haben versucht, diese Aufgabe als einen Job zu betrachten; wir haben versucht, gemeinsam zu regieren, aber nicht wirklich zusammen zu sein. Es hat nicht funktioniert.«
»Vielleicht …«
»Nein. Wenn wir im Stillstand verharren, kann unser Hof nicht stark werden … dann sind unsere Elfen vor Bananach nicht sicher. Du kannst diesen Zustand jederzeit beenden, indem du mir sagst, dass wir den Hof getrennt und aus der Ferne regieren. Aber bis dahin …«, er ließ flüssigen Sonnenschein auf ihre Haut tropfen, »… werde ich alles versuchen. Ich bin kein Sterblicher, Ashlyn. Ich bin der Sommerkönig und ich habe es satt, so zu tun, als wäre ich etwas anderes.«
Er beugte sich herab und sagte: »Zusammen könnten wir alles erreichen.«
Dann war er fort.
Achtzehn
Seth dachte, er wäre vorbereitet; er glaubte, Niall zu kennen und zu verstehen. Aber als er das Haus des Königs der Finsternis betrat, begriff er, wie falsch er damit lag. Der Boden war mit lauter Beweisen für die Raserei des Königs bedeckt: zerbrochene Möbel, Glasscherben, Papierschnipsel, ein halb verkohltes Holzscheit aus dem Kamin. An manchen Stellen lag der Müll knöcheltief.
Eine Distelelfe kauerte mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an der Wand. Als sie sich umdrehte, sah Seth, dass ein Schürhaken durch den Oberschenkel der Elfe getrieben worden war, der sie an der Wand festnagelte. Es war nicht gleich zu erkennen gewesen, denn der Haken steckte so tief in der Wand, dass nur noch der Griff sichtbar war.
»Der König trauert«, sagte die Elfe.
»Ich weiß.« Seth zeigte auf den Griff des Schürhakens. »Kann ich helfen?«
Die Elfe schüttelte den Kopf. »Der König soll nicht allein leiden. Es ist mir eine Ehre, mit ihm zusammen Schmerzen zu ertragen.«
»Hast du das getan?«
»Nein.
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