Sommermaerchen
fand sie nur wenig Interesse und gestand ihm ein, dass sie glücklicher war, wenn sie ihr ruhiges Leben auf dem Lande führen durfte, da sie kein Vergnügen daran fand, in den Ballsälen Londons von lüsternen Männern begafft zu werden.
Fasziniert betrachtete er sie im schwachen Licht, das in die Kutsche drang. „Das gibt mir ein ganz anderes Bild von Ihnen, Mylady. Sie sind gar nicht die Flatterhafte Witwe, für die man Sie allgemein hält.“
„Die Flatterhafte Witwe gibt es nicht.“
„Da habe ich etwas ganz anderes gehört.“
Sie zuckte die Achseln. „Der ton muss schließlich über jemanden klatschen. Dieses Mal bin eben ich das Opfer.“
„Und gibt es dafür nicht einen guten Grund? Sie haben jeden Mann in Ihren Bann gezogen und sich damit natürlich alle Damen zu Feinden gemacht.“
„Aber warum? Ich ermutige keinen einzigen, und mir liegt auch an keinem von ihnen etwas.“
„Wenn das so ist, warum sind Sie dann in die Stadt gekommen?“
„Oh, wegen der Gesellschaft. Für Konzerte und nette Konversation.“ Leicht vorwurfsvoll fügte sie hinzu: „Eine Dame kann die Unterhaltung mit einem Gentleman genießen, ohne dass sie ihn gleich zu ihrem Geliebten machen möchte, Major.“ Sie blickte aus dem Fenster. „Du liebe Güte, wir sind bereits am Eingang des Parks. Wie schnell die Zeit doch vergeht, wenn man sich unterhält.“
Sie wandte sich ihm wieder lächelnd zu, ohne zu ahnen, welche Wirkung ihr Lächeln auf Jack hatte. Die Fackeln, die draußen angezündet worden waren, tauchten Eloises schimmernde Locken und ihr schönes Gesicht in ein glühendes Licht, sodass sie Jack wie eine goldene Göttin erschien. Heftige Leidenschaft packte ihn. Er sehnte sich danach, Eloise an sich zu reißen und ihr die Nadeln aus dem Haar zu ziehen, damit ihre herrlichen blonden Locken offen über die zarten Schultern fielen. Er wollte sie in die Arme nehmen und lieben.
„Major? Wir müssen aussteigen. Wir halten den Verkehr auf.“ Sie lächelte belustigt.
Er riss sich von seinen Träumereien los und kletterte hinaus. Sei vorsichtig, ermahnte er sich unruhig, genieße ihre Gesellschaft, aber fall ihren Reizen nicht zum Opfer.
Wieder ganz gefasst, half er ihr aus der Kutsche und wartete, bis sie ihren Domino zurechtgezupft hatte. Allerdings hätte er fast der Versuchung nachgegeben und ihr dabei geholfen, weil es ihm den Vorwand verschafft hätte, sie zu berühren. Dann erinnerte er sich an ihre Worte. Eine Dame kann die Unterhaltung mit einem Gentleman genießen, ohne dass sie ihn gleich zu ihrem Geliebten machen möchte.
Vielleicht traf das wirklich zu. Er selbst wusste nur, dass er die ungezwungene Freundschaft nicht gefährden wollte, die sich zwischen ihnen zu entwickeln begann.
„Wir haben noch eine Stunde Zeit bis zum Souper“, sagte er, während sie den Grove, den zentralen Weg, der durch die Gärten führte, entlanggingen. Die Klänge der Orchestermusik drangen bereits zu ihnen. „Wollen wir inzwischen einen Spaziergang durch die Alleen machen? Jetzt im Sommer sind sie besonders schön.“
„Ja, wenn es Ihnen recht ist. Vielleicht könnten wir dabei nach dem Druid’s Walk Ausschau halten, damit ich weiß, wohin ich nachher gehen muss.“
Eloise fand großes Vergnügen daran, an Major Cliftons Seite durch die baumgesäumten, von unzähligen Lampen erleuchteten Alleen zu flanieren. An einer Wegkreuzung begegneten sie Perkins und Jacks Diener Robert, wechselten aber nur unauffällig einen Blick mit ihnen. Bis zu diesem Moment hatte Eloise den eigentlichen Grund für den heutigen Besuch im Park aus ihren Gedanken verdrängen können. Doch nun wurde sie wieder von einer unbestimmten Angst ergriffen und musterte jeden Vorübergehenden beklommen.
„Es ist so beängstigend, sich vorzustellen, dass einer dieser Menschen unser Schurke sein könnte“, sagte sie leise.
„Bald werden wir es wissen. Bis dahin genießen wir unsere Zeit hier, ohne uns Sorgen zu machen. Vielleicht erzählen Sie mir ein wenig von sich.“
Erstaunt sah sie ihn an. „Da gibt es nichts Interessantes zu erzählen.“
„Wie ich hörte, gab es damals einigen Widerstand gegen Ihre Heirat mit Lord Allyngham.“
„Sogar sehr starken Widerstand. Meine Eltern starben, als ich noch ein Baby war, und so wurde ich nach Allyngham Park geschickt, um dort aufzuwachsen. Lady Allyngham hatte keine Tochter, wissen Sie, und wünschte sich, dass ich ihr später Gesellschaft leistete.“
„Wurden Sie gut behandelt?“
„Ja, sehr
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