Sommermaerchen
gut. Tony und ich wuchsen gemeinsam auf. Und mit Alex natürlich auch, da er auf dem Nachbarsgut lebte. Wir waren eng befreundet und unzertrennlich, bis die Jungen zur Schule geschickt wurden. Selbst danach waren wir immer zusammen, wenn sie in den Ferien nach Hause kamen.“
„Dann hätten die Allynghams eigentlich damit rechnen müssen, dass Tony sich in Sie verlieben würde.“
Sie seufzte. „Dieser Gedanke kam ihnen wohl nie. Tony war ihr Zweitgeborener, doch da sein älterer Bruder starb, wurde von ihm erwartet, eine gute Partie einzugehen.
Wen wundert es also, dass sie zutiefst entsetzt waren, als er beschloss, mich zu heiraten – eine mittellose Waise.“
„Das muss sehr schwer für Sie gewesen sein.“
„Ein wenig schon. Aber sie waren nicht wirklich gemein. Sie liebten Tony zu sehr, um ihn deswegen zu enterben oder zu verstoßen. Trotzdem war ich mir immer einer gewissen ... Reserviertheit bewusst. Die anhielt, bis sie vor fünf Jahren starben.“
„Wenn Sie Allyngham einen Erben geschenkt hätten ...“
Bei seinen Worten fuhr sie kaum merklich zusammen. „Vielleicht hätte das geholfen, aber es sollte leider nicht sein.“
Besorgt sah er sie an, und sie lächelte ein wenig mühsam. „Sie sollen nicht denken, dass mein Leben leer ist, Major. Ich bin ständig mit etwas beschäftigt, vor allem mit der Verwaltung der Allyngham-Güter.“
„Das muss eine schwere Last für Sie sein.“
„Nein, ich tue es gern. Zunächst übernahm ich die Zügel, weil Tony in der Armee war.
Und ich habe natürlich auch einen ausgezeichneten Verwalter. Außerdem ist Alex immer da, um mich zu beraten.“
„Ah, Mortimer.“ Sie bemerkte den kühlen Ton in seiner Stimme. „Und war er auch immer da, während Ihr Gatte abwesend war?“
Eloise blieb abrupt stehen. Plötzlich schien es ihr unendlich wichtig, dass er sie verstand. „Alex und ich stehen uns sehr nah. Wir teilen viele Interessen, aber wir sind nie mehr gewesen als Freunde.“ Spontan legte sie ihm die Hände auf die Brust.
„Ich flirte vielleicht gelegentlich, Major, aber ich habe meinen Mann nicht hintergangen und hatte auch nie die Absicht. Ich möchte, dass Sie mir glauben.“
Einen Moment lang sahen sie einander nur tief in die Augen, ohne das Gelächter und Geplauder der Menschen um sie herum ganz wahrzunehmen.
Jack legte die Hand auf ihre. „Ich glaube Ihnen. Je mehr ich über Sie erfahre, desto faszinierter bin ich. Ich habe das Gefühl, Sie sind sehr viel unschuldiger, als Sie mir weismachen wollen.“
Eloise trat hastig zurück. Er kam der Wahrheit gefährlich nahe! Das durfte sie nicht zulassen. Sie lachte gezwungen und hakte sich bei ihm ein. „Wollen wir zu unserer Loge gehen und etwas essen?“
Doch als sie in ihrer Loge Platz nahmen, lächelte Eloise kläglich. „Ich fürchte, ich habe meinen Appetit verloren. Wir sind hier so vielen Blicken ausgeliefert. Hier scheinen sich Gott und die Welt ein Stelldichein zu geben.“
„Dann werden wir ihnen ein Schauspiel bieten.“ Jack rückte mit seinem Stuhl näher.
„Sie müssen etwas essen, also werde ich Sie mit kleinen Häppchen füttern.“
„Nein, ich sollte nicht ...“
„Doch, Sie sollten.“ Er spießte eine Scheibe hauchdünnen Schinken mit seiner Gabel auf und lehnte sich noch dichter zu Eloise hinüber.
„Aber alle schauen zu!“
„Genau. Wenn unser Mann unter ihnen ist, werden wir ihn in Sicherheit wiegen. Und alle Übrigen – nun, sie werden mich für den größten Glückspilz auf Gottes Erde halten.“
Eloise gab nach und öffnete den Mund, um den Bissen, den er ihr reichte, anzunehmen. Es schmeckte köstlich, was das leicht Unschickliche des Vorgangs nur noch erhöhte. Doch Eloise protestierte nicht, als Jack ihr erneut die Gabel hinhielt.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er sie mit sehr viel mehr in Versuchung zu führen versuchte als mit einer Gabel Leckereien. Benommen stellte sie ihr Weinglas auf den Tisch. Der Wein musste ungewohnt stark sein, denn ihr war ein wenig schwindlig. „Sie flirten mit mir, Major.“
„Das kann ich nicht leugnen“, meinte er lächelnd. „Und wenn ich Ihnen noch näher komme, während ich Ihnen Wein nachschenke ...“
„Nicht mehr für mich, danke. Ich brauche für später einen klaren Kopf. Glauben Sie wirklich, er beobachtet uns?“
„Ja. Wir müssen ihm zeigen, dass ich in Sie verliebt bin.“
„Oh. Und wie?“
Er nahm ihre Hand. „So.“
Ein Blick in seine Augen genügte, und ein Schauer der Erwartung
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