Sommermaerchen
der gestrigen Nacht war weder ihre noch seine Lage besonders einfach. Er lächelte kläglich. „Wollen Sie mich den Wölfen zum Fraß vorwerfen? Lady Parham wird mich entdecken und mich zwingen, ihr in allen Einzelheiten zu erzählen, wie es Mortimer geht.“
Sie zog ihn auf. „Sie haben doch gewiss keine Angst vor den Damen, Major.“
„Ich zittere am ganzen Leib vor Angst“, behauptete er scherzhaft. „Ich werde hier in der Galerie bleiben müssen, bis ich sicher sein kann, dass die Luft rein ist.“ Er wies auf die Porträts an den Wänden. „Renwick besitzt einige sehr schöne Gemälde.
Möchten Sie sich die nicht ansehen? Morgen werden Sie vielleicht keine Gelegenheit dazu haben, wenn Sie zeitig abreisen wollen.“
Er sah Eloise an, dass sie hin und her gerissen war zwischen ihrem Wunsch, die Gemälde zu betrachten, und der Abneigung vor seiner Gesellschaft. Wenigstens hatte sie sich nicht sofort geweigert.
Jack nutzte ihr Zögern und wies auf eins der Gemälde. „Das hier zum Beispiel soll ein Rembrandt sein, allerdings zweifeln manche auch daran. Was denken Sie?“
Sie trat näher heran. „Ich weiß es nicht. Wenn es eine Kopie ist, dann eine sehr gute.“
„Ist die Pinselführung nicht etwas zu zart für einen Rembrandt?“
„Nicht unbedingt. Ich denke, sein Stil änderte sich im Alter. Und der Gegenstand –
eine biblische Szene – ist typisch für seine späteren Werke.“
Er betrachtete sie bewundernd. „Und Sie sagen, Sie seien keine Kennerin? Ich glaube, Sie haben uns absichtlich irregeführt, Ma’am.“
Sie schüttelte nur bescheiden den Kopf und ging weiter, während Jack sie auf verschiedene Porträts aufmerksam machte, sie nach ihrer Meinung fragte und gleichzeitig versuchte, sich sein längst vergessenes Wissen über die Künstler wieder in Erinnerung zu rufen. Seine Geduld wurde belohnt – allmählich taute Eloise auf und entspannte sich. Sie schenkte ihre ganze Aufmerksamkeit den Gemälden, und Jack stand nur daneben, ohne zu wagen, sie zu berühren. Dennoch genoss er es, ihr zuzuhören, wie sie unverblümt ihre Ansichten äußerte. Als sie die halbe Bildergalerie hinter sich hatten, plauderte Eloise unbefangen und locker. Einmal drehte sie sich sogar zu ihm um und lachte über eine seiner Bemerkungen.
„Schauen Sie hier. Dieses Bild zeigt das Haus, wie es vor sechzig Jahren aussah, bevor es seine heutige Form bekam.“
„Die Gärten sind viel kleiner, und es scheint ein Dorf zu geben, wo sich jetzt der Park befindet.“
„Ja. Das Dorf wurde von Renwicks Großvater abgerissen.“
„Oh. Und die Dorfbewohner?“
„Machen Sie sich keine Sorgen. Er hat für sie Häuser auf der anderen Seite des Waldes gebaut. Sie waren überglücklich, neue Häuser zu bekommen. Ich hoffe, meine Pächter werden genauso denken.“
Überrascht sah sie ihn an. „Sie wollen Ihre Pächter aus ihren Häusern werfen?“
Er lachte. „Nein, nein. Aber ich habe vor, bessere Häuser für sie zu bauen, sobald das meine finanzielle Lage erlaubt.“
„Sie sprechen von Henchard, Ihrem Gut in Staffordshire, nicht wahr?“
Also erinnerte sie sich! Jack wunderte sich selbst, wie übermäßig er sich darüber freute. „Ja. Ich beabsichtige, in Zukunft mehr Zeit dort zu verbringen.“
„Und werden Sie mit einem ruhigen Leben zufrieden sein, Sir?“
„Ruhig? Ich werde hart arbeiten und das Land ebenso wie das Leben meiner Pächter verbessern. Das Haus muss vergrößert werden und die Küche ausgebaut. Denken Sie, ich wäre nur mit einem Degen in der Hand glücklich?“
„Natürlich nicht. Ich habe nicht wirklich überlegt, Major. Schließlich weiß ich so wenig über Sie.“
„Ja. Es gibt sehr viel, was wir nicht voneinander wissen, Mylady.“
Ein schüchternes Lächeln erhellte ihr Gesicht, und sein Herz begann heftig zu klopfen. Er machte größere Fortschritte als erhofft. Vielleicht konnte er es jetzt wagen, sie auf die gestrige Nacht anzusprechen.
Doch als hätte sie seine Gedanken gelesen, errötete sie und ging zum nächsten Bild weiter. „Das ist ein Ricciardelli“, sagte sie atemlos.
Jack nickte. „Eine besonders schöne Aussicht auf Neapel, meinen Sie nicht? Ich erinnere mich, wie Tony mir einmal erzählte, dass Sie auf Ihrer Hochzeitsreise Station machten.“
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, verwünschte er sich insgeheim. Eine tiefe Röte war Eloise in die Wangen gestiegen, und sie wandte sich von ihm ab.
„Verzeihen Sie mir. Ich wollte Sie nicht an Ihre Ehe
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