Sommermaerchen
ihn mit einem Trick zur Ehe hatte zwingen wollen? Sie würde es ihm schon zeigen! Er war nichts als ein gewissenloser Verführer und der letzte Mann auf Erden, den sie heiraten würde!
Als sie schließlich aufhörte zu weinen, war es vor Erschöpfung und nicht, weil es ihr besser ging. Sie hatte sich so wohlgefühlt in seinen Armen. All die Jahre hatte Eloise ihren verheirateten Freundinnen verständnisvoll lächelnd zugehört, wenn diese sich darüber beschwerten, wie lästig es sei, ihren Gatten zur Verfügung stehen zu müssen, oder über die Qualitäten ihrer neuesten Liebhaber kicherten – ganz so, als wüsste sie, wovon sie sprachen. Doch bis heute hatte sie nicht geahnt, wie aufregend und wunderschön es sein konnte, von einem Mann geküsst und liebkost zu werden – und geliebt, dass man glaubte, vor Entzücken in Ohnmacht zu fallen.
Als der Schlaf schließlich kam und die tiefe Verzweiflung sich in einen dumpfen Schmerz verwandelte, dachte Eloise noch, dass sie wenigstens einen winzigen Trost aus allem ziehen konnte. Selbst wenn sie gezwungen werden sollte, Sir Ronald Deforge zu heiraten, würde sie ihm wenigstens nicht ihre Jungfräulichkeit schenken.
Am nächsten Tag war nur von einem die Rede: von den Wilderern, die Mr Mortimer so erbarmungslos angegriffen hatten. Ihre Zofe Alice erzählte ihr die Neuigkeiten, als sie ihr morgens die heiße Schokolade ans Bett brachte.
„Ich weiß nicht, was Sie und Mr Mortimer gestern Abend im Schilde führten, und ich will es auch gar nicht wissen, Mylady“, log Alice, „aber als Mr Farrell uns mitteilte, dass der arme Mr Alex dem Tod nur um Haaresbreite entkommen war, wäre ich vor Schreck fast umgefallen. Wenn ich vorhin nicht gesehen hätte, dass Sie friedlich schlafend im Bett lagen, hätte mich der Schlag getroffen! Und nun finde ich das hier.“
Sie hielt Eloises zerknittertes, schmutziges Kleid hoch. „Sagen Sie mir jetzt nur nicht, dass das kein Blut auf Ihrem Rock ist.“
„Nun, es ist nicht alles Blut.“ Eloise nippte an ihrer Schokolade und überlegte.
Offenbar war Farrell gestern Abend, nachdem sie eingeschlafen war, noch vorbeigekommen und hatte ihre Sachen gebracht. Sie entdeckte auf einem Stuhl auch ihre Schuhe und Unterwäsche. „Es sind auch Grasflecken, wo ich neben Mr Mortimer gekniet habe. Und jetzt hör auf, mich zu schelten, Alice, und sag mir lieber, wie es Mr Mortimer geht. Hat Farrell einen Arzt kommen lassen?“
„Nein, Mylady. Offenbar hat der Major ihn verbunden. Ach, Mylady, hätten Sie mich doch nur geweckt. Dann hätte ich Ihnen wenigstens beim Auskleiden helfen können.“
„Mach dir keine Gedanken, Alice. Ich bin gut allein zurechtgekommen, warum sollte ich dir also den wohlverdienten Schlaf rauben. Übrigens, da ist noch etwas.“ Eloise wies scheinbar gelassen auf Jacks Morgenrock. „Dies muss Major Clifton zurückgegeben werden.“ Sie sah Alices entsetzten Ausdruck und errötete. „Bei unserer Rückkehr gestern Nacht war mir sehr kalt.“
Alice hob den Morgenrock auf und hielt ihn voller Abscheu auf Armeslänge von sich ab. „Miss Elle! Wenn jemand Sie gesehen hätte!“
„Nun, es hat mich aber niemand gesehen“, entgegnete Eloise verlegen. „Und jetzt sorge bitte dafür, dass Major Clifton das zurückerhält, und lass mich in Ruhe meine Schokolade austrinken!“
„Wilderer!“, ereiferte sich Mrs Briggate, als Eloise sich wenig später zu den übrigen Gästen im Frühstückszimmer gesellte. „Noch dazu hier im Park! Ich hoffe doch sehr, lieber Bruder, dass du Vorsorge treffen wirst, das Haus zu schützen.“
„Ich habe es bereits getan, liebe Schwester“, antwortete Mr Renwick ruhig.
„Wie geht es Mr Mortimer?“, fragte Eloise.
„Nicht sehr gut, doch Major Clifton meint, sein Leben sei nicht in Gefahr“, beruhigte Mrs Renwick sie. „Es war übrigens der Major, der ihn fand, und er kümmert sich auch jetzt um ihn.“
Sir Ronald warf leichthin ein: „Die Frage ist doch, was hatte Mortimer überhaupt draußen verloren? Noch dazu um diese späte Stunde.“
Eloise konzentrierte sich auf ihren Kaffee und achtete nicht auf Sir Ronalds herausfordernden Blick.
„Nein, die Frage ist vielmehr, was wir gegen die Wilderer unternehmen wollen“, meinte Mrs Briggate unruhig.
Mr Renwick lächelte ihr beruhigend zu. „Ich habe schon einige meiner Männer losgeschickt, um das ganze Gut abzusuchen. Heute Abend lasse ich dann die Hunde los. Ich rate Ihnen also dringend, nach Einbruch der Dunkelheit im Haus
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