Sommermaerchen
wenn du den Ball versäumst – damit schmälerst du deine ohnehin schon geringen Chancen auf eine Ehe noch weiter.“
Beatrice war diese Kommentare bereits gewohnt und wusste, ihre Tante meinte es nicht böse. Sie setzte eine unschuldige Miene auf. „Ich kann nicht glauben, dass du mir unterstellst, ich wolle mich vor Lady Teasdales Ball drücken.“
Lady Sinclair schnaubte erneut. „Hältst du mich für eine Närrin? Seit deiner Ankunft im vergangenen Monat erzählst du mir ständig, wie gern du die Einladung absagen würdest. Ja, Lady Teasdale ist grässlich anstrengend, aber ihre Bälle sind immer gut besucht, auch von jungen Gentlemen, die eine passende Partie für dich abgeben würden.“ Sie seufzte. „Du gibst dir überhaupt keine Mühe, einen Gatten zu finden.
Die Saison hat bereits vor zwei Wochen begonnen, und ich habe deinem Vater mein Wort gegeben.“
„Ich weiß, Tante Louisa. Ich dachte nur, da ich bereits drei Mal wenig erfolgreich an Lady Teasdales Ball teilgenommen habe ...“
„Als ob du mich daran erinnern müsstest. Ganz eindeutig bist du immer noch nicht vermählt.“
Beatrice zählte stumm bis fünf und betete darum, nicht die Geduld zu verlieren.
„Eindeutig.“
„Und wie alt bist du?“
Fast hätte Beatrice nicht auf die Frage geantwortet. Ihre Tante erwähnte ihr Alter mindestens zwei Mal am Tag. Sie wusste ganz genau, wie alt ihre Nichte war. „Ich bin dreiundzwanzig, das haben wir doch bereits zur Genüge festgestellt. Ich werde es dich wissen lassen, sollte sich an meinem Alter etwas ändern.“
Lady Sinclair schnalzte missbilligend. „Naseweises Mädchen. Das hast du nun davon, dass du in die Jahre kommst.“
„Was habe ich davon?“
„Mit dem Alter kommt die spitze Zunge.“
Die kommt vielmehr daher, weil ich die letzten Wochen bei dir verbracht habe, dachte Beatrice, sagte aber nichts.
„Wie dem auch sei“, fuhr Lady Sinclair brüsk fort. „Da sich deine Schwester so beharrlich zeigte, habe ich euch den Theaterbesuch erlaubt. Allerdings unter einer Bedingung: Euer Bruder muss euch begleiten.“
Beatrice stöhnte auf, und Lady Sinclair kicherte schadenfroh. „Ja, meine Liebe, ich weiß, dies wird kein leichtes Unterfangen werden. Gewiss wird Ben alles andere als begeistert davon sein, seine beiden jüngeren Schwestern begleiten zu müssen. Es geht indes nicht an, dass zwei ledige junge Damen allein im Theater herumbummeln.
Wo kommen wir denn da hin?“
Beatrice sank tiefer in ihren Sessel. Tante Louisa hatte recht. Ben würde gewiss keinerlei Verlangen haben, sie ins Theater zu begleiten. Vermutlich hatte er längst andere Pläne für den Abend. Wenn sie aber sofort damit begann, ihn hartnäckig anzubetteln, würde er sich vielleicht überreden lassen, nur um seine Ruhe zu haben.
Beatrice hätte vor Freude über diesen Plan beinahe aufgelacht, indes beherrschte sie sich klugerweise. „Danke, Tante Louisa. Ich weiß, wie viel es Eleanor bedeutet, und es wäre mir verhasst gewesen, sie enttäuschen zu müssen.“
Lady Sinclair lächelte selbstgefällig. „Ja, schon gut. Ich habe mich übrigens informiert. Das Stück beginnt um sieben Uhr. Das bedeutet, du kannst nach der Aufführung immer noch zu einer annehmbaren Stunde bei Lady Teasdale erscheinen. Und ich wünsche, dass du deinen Bruder mitbringst.“
Nach dieser Ankündigung segelte Lady Sinclair mit der Würde einer königlichen Barke aus dem Raum. Beatrice schloss die Augen. Ihre aufkeimende Hoffnung erstarb. Es half nicht, sie konnte immer noch das triumphierende Lächeln im Gesicht ihrer Tante sehen. Sie öffnete die Augen und blickte zu den fröhlichen Mägden auf der Wand. Selbst sie schienen schadenfroh zu grinsen.
Oh, wie sie den bevorstehenden Abend fürchtete. Drei Mal hatte sie bereits an Lady Teasdales verflixtem Ball teilgenommen, wie man es von ledigen jungen Damen erwartete. Lady Teasdales Tochter Sarah hatte im gleichen Jahr wie Beatrice debütiert und sich bereits in der sechsten Woche ihrer ersten Saison vermählt –
noch dazu mit einem Viscount. Offen gestanden empfand Beatrice Mitgefühl für Sarah. Sie konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als im Alter von achtzehn Jahren an den Meistbietenden verhökert zu werden. Das änderte jedoch nichts daran, dass Lady Teasdale es als ihren Lebensinhalt betrachtete, diese Tatsache ihr und jedem, dem sie begegnete, unter die Nase zu reiben.
Zugegebenermaßen mutete es recht jämmerlich an, gestand sich Beatrice ein, dass es ihr
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