Sommermaerchen
Männer zu jubeln.
„Die Franzosen ziehen sich zurück“, antwortete Jack mit erstickter Stimme.
Allyngham nickte und verzog die aufgesprungenen Lippen zu einem schwachen Lächeln. „Teufel, ich wusste, Wellington würde es schaffen.“ Er hob matt die Hand.
„Gehen Sie jetzt, Major. Erfüllen Sie Ihre Pflicht. Meine Männer werden sich um mich kümmern.“
Der Fähnrich an seiner Seite nickte. „Wir passen auf ihn auf, Sir“, sagte er mit Tränen in den Augen. „Sie können sicher sein, dass wir ihn nicht allein lassen.“
Jack warf noch einen letzten Blick auf Allynghams schmerzverzerrtes Gesicht, erhob sich und folgte seinen Männern, um die fliehenden Franzosen zu verfolgen.
Im Salon von Allyngham Park stand Eloise an einer der hohen Terrassentüren und blickte auf den Garten hinaus. Doch die schöne Landschaft verschwamm vor ihren Augen. In der Hand hielt sie zwei Blatt Papier, die sie jetzt mit zitternden Fingern auf die Anrichte neben sich legte. Eloise holte das feuchte Taschentuch wieder hervor und trocknete sich notdürftig die Wangen.
„Mr Mortimer, Mylady.“
Bei der leisen Ankündigung des Butlers drehte sie sich um und bemerkte Alex Mortimer an der Tür. Sein von Natur aus heller Teint war blasser denn je, der Ausdruck in seinen Augen kummervoll.
„Du hast es gehört?“ Ihre Stimme klang erstickt.
„Ja.“ Er zog einen Brief aus der Jackentasche. „Ich kam herüber, sobald ich ihn erhielt. Es tut mir so unendlich leid.“
Mit einem leisen Aufschrei lief sie auf ihn zu und warf sich ihm an die Brust. „Oh, Alex, er ist tot“, schluchzte sie. „Was sollen wir nur tun?“
Er führte sie zum Sofa und half ihr, sich zu setzen. Eine ganze Weile saßen sie nur da, die Arme umeinander gelegt. Die Schatten wurden länger, und erst dann löste Eloise sich langsam von ihm.
„Es heißt in dem Brief, er sei gegen Abend gestorben und hätte noch erfahren, dass die Schlacht gewonnen war.“ Sie betupfte sich die Augen mit einem Ende ihrer Stola.
„Dann wusste er zumindest, dass sein Tod nicht umsonst sein würde.“ Alex wandte sich von ihr ab, um sich die Tränen von den Wangen zu wischen. „Ich bin von einem Major Clifton benachrichtigt worden. Er hatte Tonys letzten Brief an mich beigefügt.“
Eloise erhob sich, atmete tief ein, um sich zu fassen, und ging zu der Anrichte, wo sie ihren Brief hingelegt hatte. „Ja, hier steht derselbe Name. Er schreibt, Tony habe ihn gebeten, unsere Briefe weiterzuleiten.“ Sie schluckte mühsam. „Tony wusste, in welcher Gefahr er schwebte. Er ... er schrieb, um sich von uns zu verabschieden.“
Alex nickte. „Er bittet mich, auf dich aufzupassen, bis du wieder heiratest.“
„Oh.“ Eloise verbarg das Gesicht in den Händen. „Ich werde nie wieder heiraten.“
„Aber Elle, das weißt du nicht“, sagte Alex sanft und ging zu ihr.
„Doch“, brachte sie schluchzend hervor. „Es kann in der ganzen Welt keinen so guten, freundlichen und großzügigen Mann geben wie Tony Allyngham.“
„Wie könnte ich dir da widersprechen?“ Er lächelte traurig. „Doch du bist so jung. Zu jung, um dich für immer hier auf Allyngham Park zu vergraben.“
Sie hielt Tonys letzten Brief hoch. „Er erinnerte mich daran, unsere Pläne für ein Waisenhaus voranzutreiben. Du weißt sicher noch, dass wir darüber sprachen, kurz bevor er nach Brüssel aufbrach.“ Sie seufzte. „Wie sehr es Tony doch ähnlich sieht, dass er selbst in der gefährlichen Lage, in der er sich befand, zuerst an andere dachte.“
Alex nahm ihre Hand. „Meine Liebe, du wirst nichts tun können, bevor nicht alle Formalitäten abgeschlossen sind. Als Nächstes musst du deinen Verwalter kommen lassen und auch alle anderen in Kenntnis setzen.“
„Ja, sicher.“ Sie drückte seine Hand. „Du wirst mir doch helfen, nicht wahr, Alex? Du verlässt mich nicht?“
„Nein, ich verlasse dich nicht“, beschwichtigte er sie. „Wie könnte ich? Mein Herz würde ja hierbleiben.“
1. KAPITEL
Über ein Jahr war seit der entscheidenden Schlacht bei Waterloo vergangen, und Jack Clifton kehrte endlich nach England zurück. Noch während er seine Kriegskameraden und die Armee hinter sich ließ, die ganze zehn Jahre sein Leben gewesen war, dachte er schon über die beiden Aufträge nach, die er sich auferlegt hatte. Erst danach würde er sich seinen eigenen Angelegenheiten widmen. Einer seiner Aufträge lautete, Allynghams Ring und Medaillon dessen Witwe zu übergeben, doch zuvor würde er
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