Sommermond
gewesen und hatte seine eigenen Bedürfnisse dabei ganz hinten angestellt. Er wusste, dass das nicht so weitergehen konnte und dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, wieder an sich zu denken. Er liebte Alex und wenn dieser ihn mindestens genauso liebte, würde dieses Mal er um Ben kämpfen müssen. Jetzt war Alex an der Reihe, sich seinem Leben anzupassen und dieses so zu akzeptieren, wie es war.
Ben seufzte und schob das Tablett ein Stück von sich weg. Er hatte weder Durst noch Hunger. Seit dem Unfall fühlte er sich ohnehin recht aufgedunsen. Der tägliche Sport fehlte ihm und je mehr Tage vergingen, umso stärker verringerte sich sein Hungergefühl. Appetit hatte er auch nicht. Er hob das Tablett und wollte es zurück auf den Nachtschrank stellen. Dabei fiel sein Blick erneut auf sein Handy. Er kämpfte mit sich, wollte nicht schon wieder nachgeben. Doch dann stöhnte er laut auf, stellte das Tablett wieder ab und zog das Handy an sich heran. Er wählte Alex‘ Nummer, presste den Hörer an sein Ohr und wartete. Ein Freizeichen folgte dem nächsten, doch der Blonde nahm nicht ab. Offenbar wollte er nicht mit ihm sprechen. Also legte Ben wieder auf, nahm das Handy herunter und öffnete stattdessen eine neue Kurzmitteilung.
„Lass uns bitte noch mal in Ruhe reden. So wies aussieht, gehts heute zurück nach Flensburg. Also meld dich bitte! Ben“
Ohne weiter darüber nachzudenken, schickte er die SMS ab. Danach fühlte er sich schon etwas besser. Jetzt lag es tatsächlich an Alex, den nächsten Schritt zu tun. Zwar wusste Ben nicht, ob er und seine Eltern tatsächlich heute zurück in den Norden fahren würden, doch mit dieser Aussage hatte er bewusst etwas Druck ausgeübt. Dadurch erhoffte er sich, dass sich Alex der begrenzten Zeit bewusst werden und noch einmal über seinen Schatten springen würde. Ben konnte nicht glauben, dass es so plötzlich zwischen ihnen zu Ende sein sollte. Dafür hatten sie zu viel miteinander durchgemacht. Außerdem hatte ihm Alex seine Liebe gestanden. Oft genug und das letzte Mal am Vortag. Ben musste jetzt Geduld haben. Daran hatte er sich seit seinem Aufenthalt in der Villa gewöhnt. Alex ließ ihn gern zappeln. Ben war sich sicher, dass der Blonde noch im Verlauf des Tages zurückkommen und dann für ein ruhigeres Gespräch bereit sein würde.
Erneut seufzte er, bevor er schließlich doch nach dem Glas Orangensaft griff und ein paar Schlucke nahm. Als er es halb leer wieder abstellte, fiel sein Blick zurück auf das Fotoalbum im Regal. Er zögerte noch einen kurzen Moment, bevor er vorsichtig aufstand und zum Regal ging. Er nahm das Album und legte sich wieder zurück ins Bett. Dann schlug er das ledernde Buch auf und blätterte so lange um, bis er bei den Seiten ankam, die er noch nicht kannte. Er rückte sich in eine bequemere Position und betrachtete die einzelnen Bilder. Dabei stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. Die Ablenkung ließ ihn seine Sorgen vergessen. Auf den Seiten klebten unzählige Bilder von Alex und seinem besten Freund. Fotos von Partys, Fotos von draußen und Fotos von drinnen. Auf jedem Bild sah Alex glücklich aus, was beachtlich war, nachdem er zuvor seine Mutter verloren hatte. Sebastian schien für ihn eine Art Ersatzfamilie gewesen zu sein. Vielleicht wie ein toller Bruder, den er sich immer gewünscht hatte. Da war es leicht nachvollziehbar, dass dessen Tod ihm letztendlich den Rest gegeben hatte. Offenbar hatte er seinen Kummer im Alkohol ertränkt, war dabei den falschen Typen begegnet und so auf die schiefe Bahn geraten. Dass er jetzt war, wie er war, konnte Ben nur allzu gut nachempfinden. Alex wollte allein zurecht kommen und sich auf niemanden verlassen müssen – aus Angst, dass ihm wieder ein wichtiger Mensch genommen werden könnte.
Und in diesem Moment fiel es Ben wie Schuppen von den Augen. Er legte das Album vorübergehend auf seinen Schoß und presste sich seine flache Hand auf die Lippen. Plötzlich wurde ihm alles klar. Plötzlich verstand er, warum Alex ausgerastet war und sogar ihre Beziehung in Frage gestellt hatte. Mit diesem Abwehrmechanismus schien Alex sich unbewusst selbst zu schützen. Einfach deshalb, weil er nicht wieder verletzt werden wollte und Angst hatte. Angst um Ben.
Alex hätte ihn schon einmal fast verloren und gab sich – wie Ben nun von seiner Mutter wusste – offenbar die alleinige Schuld daran. Diesen Fehler wollte er kein weiteres Mal begehen und Ben deshalb aus alledem heraushalten. Doch dann waren
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