Sommermond
Alex kroch Panik empor. Die Kerle schienen ihn tatsächlich länger als ein paar Stunden festhalten zu wollen. Diese Information drang so unwillkürlich in seinen Verstand, dass er überhaupt nicht auf sie reagieren konnte.
„Ben wird sich Sorgen machen!“, platzte es aus ihm heraus. „Mein Vater und er werden die Polizei einschalten!“
Er hoffte, den Spanier mit diesen Worten zur Vernunft zu bringen. Tief in seinem Inneren wusste er natürlich, dass den Spanier weder Vernunft noch Rücksicht interessierten. Diesen Gedanke ignorierte Alex jedoch. Auch hoffte er, eine Antwort zu erhalten, die preisgab, wie es Ben ging.
„Glaubst du wirklich, daran hätten wir nicht gedacht?“, fragte der Spanier weiter. „Tz, tz, tz … Du solltest mich mittlerweile besser einschätzen können.“
Alex zog seine Augenbrauen zusammen. Er wusste nicht, was die Antwort des Spaniers zu bedeuten hatte. Seine Angst wuchs rasant. Er befürchtete, dass sie Ben etwas angetan hatten. Deshalb stieg ein letztes Mal Mut in ihm auf. Wütend richtete er sich auf. Er wollte auf den Spanier zustürmen, wurde aber sofort mit zwei bedrohlichen Pistolenläufen zurück zur Besinnung gebracht. Er ballte seine Hände zu Fäusten.
„Was habt ihr Schweine ihm angetan?“ brüllte er.
„Pscht …“, machte der Spanier daraufhin und legte einen Zeigefinger auf seine Lippen. „Ganz ruhig!“
Dabei klang er wie ein Löwendompteur, der einen seiner aufgebrachten Vierbeiner zu beruhigen versuchte. Diese unpassende Art machte Alex nur umso zorniger. Erneut wollte er auf den Spanier losgehen, doch dieser hielt eine abbremsende Hand vor sich in die Luft und schüttelte dabei kaum merklich den Kopf. Alex hatte keine Ahnung, wie der Kerl es anstellte, dass er tatsächlich stockte und wie hypnotisiert stehen blieb. Er atmete seine Wut aufgeregt aus, konnte sich aber beherrschen.
„Wir haben deinem kleinen Freund nichts getan“, fuhr der Spanier ruhig fort. „Jedenfalls noch nicht.“ Er stockte und leckte sich mit der Zunge über den Mundwinkel. „Und wenn du willst, dass das so bleibt, rufst du ihn jetzt an und sagst, dass es dir gut geht.“
Alex traute seinen Ohren nicht. Entsetzt starrte er den Spanier an. Jetzt erkannte er den Ernst seiner Lage und verstummte. Er wusste nicht, was er Ben sagen sollte.
„Du kannst gut bluffen“, sagte der Spanier, während er Alex‘ Handy aus seiner Tasche zog. „Das wissen wir. Also lass dir was Glaubhaftes einfallen!“
Alex schluckte. Geistesabwesend beobachtete er, wie der Spanier die Tastensperre aus seinem Handy entfernte.
„Sag ihm, dass es dir gut geht und du nach eurem Streit etwas Abstand brauchst!“, fuhr der Spanier fort.
Alex wunderte es nicht, dass die Kerle von dem Streit wussten. Vermutlich hatten sie jedes einzelne Detail mitbekommen.
„Und komm bloß nicht auf dumme Ideen!“, fügte der Spanier trocken hinzu. „Sonst knallt er dich ab.“
Mit diesen Worten nickte er zu seiner Rechten in Richtung des am kräftigsten aussehenden Kerls. Der Typ trat sofort näher und presste seine Pistole gegen Alex‘ Schläfe.
Alex hielt die Luft an. Er bewegte nur noch seine Pupillen, um mit keiner falschen Regung einen unnötigen Schuss auszulösen. Auch der andere bewaffnete Handlanger trat nun näher, richtete seine Waffe allerdings in einem gewissen Abstand auf Alex. Der dritte Kerl stand unsicher an der Tür. Alex und sein Blick verfingen sich erneut. Alex sah, dass er sich fürchtete.
„Juan!“, rief der Spanier und drehte sich zu ihm um.
Alex war verwundert, dass er ihn beim Namen nannte. Der schwarzhaarige Kerl drückte sich von der Tür und schritt unsicher auf seinen Boss zu.
„Du hältst das Telefon und stellst es auf Lautsprecher. Verstanden?“, befahl der Spanier.
Juan gehorchte. Er nahm das Handy und trat in langsamen Schritten auf Alex zu. Offensichtlich versuchte er mitzuhalten, doch in seinen Augen schwang ein Gefühl von Mitleid.
Alex‘ Brustkorb hob und senkte sich aufgeregt, seine Atmung war stockend. Juan nahm das Handy, wählte Bens Nummer, stellte auf Lautsprecher und hielt das Telefon anschließend vor Alex‘ Gesicht.
Alex‘ Hände zitterten. Er wusste, dass er sich gleich bemühen musste, normal zu klingen. Deshalb versuchte er sich zusammenzureißen. Mit jedem weiteren Freizeichen wuchs seine Anspannung. Einen kurzen Moment glaubte er Glück zu haben, weil Ben nicht abnahm. Doch gerade, als Juan das Handy zurückzog und auflegen wollte, meldete sich Ben.
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