Sommermond
Alex.
Noch immer befürchtete er, dass Ben zu den Bullen rennen würde.
„Keine Angst“, sagte Ben, als hätte er Alex‘ Gedanken gelesen. „Ich halt‘ mich aus deinen Angelegenheiten raus.“
Alex starrte ihn an. Bens Worte klangen nach einer Verabschiedung.
„Ich werd‘ nach Hause fahren“, fuhr Ben fort. „Am besten sofort.“ Mit diesen Worten wandte er sich um.
Sofort erkannte Alex den Ernst der Lage. „Nein!“, schoss es aus ihm heraus.
Ben blieb stehen, drehte sich aber nicht zu ihm um. Er schien darauf zu warten, dass er fortfuhr. Alex schluckte einmal kräftig. Er spürte sein Herz bis zum Hals und wusste, dass nun der Augenblick gekommen war, in dem er offen zu seinen Gefühlen stehen musste. Jetzt oder nie. Dieses Mal blieb ihm nicht so viel Zeit wie vor ihrem Zusammenkommen im Februar. Nun lag es in seinen Händen, der Beziehung noch eine Chance zu geben – nach allem, was passiert war. Natürlich war es das, was er wollte. Wäre er nicht entführt und bedroht worden, hätte er es gar nicht erst so weit kommen lassen. Mit dem Sex mit anderen Männern hatte er bloß versucht, Ben aus seinem Kopf zu bekommen. Doch gelungen war ihm das nie. Er liebte Ben, und nun war der richtige Zeitpunkt gekommen, ihm das zu sagen.
„Gehen wir in mein Zimmer?“, fragte er. Das klang indiskreter als geplant. Alex verkniff sich ein Schmunzeln. Erwartungsvoll blickte er in Bens Richtung und atmete erleichtert auf, als dieser sich zu ihm umdrehte und nickte. Alex öffnete die Zimmertür und ließ Ben den Vortritt.
„Sicher, dass das dein Zimmer ist?“, fragte Ben.
Alex schloss die Tür hinter sich.
„Ich bin noch nicht zum Aufräumen gekommen“, verteidigte er sich. „Mir kam was dazwischen.“
„Was denn?“, hakte Ben nach und tat unwissend.
„Ich musste auf jemanden aufpassen“, antwortete Alex.
„Ach, ja?“, fragte Ben und drehte sich zu ihm. „War er es denn wert?“
„Ich hab‘ nicht gesagt, dass es ein Mann war“, entgegnete Alex.
Daraufhin lachte Ben. „Du Spinner!“
Alex lächelte und versuchte das Chaos in seinem Zimmer provisorisch zu beseitigen. Er schritt zum Bücherregal, bückte sich nach seinem Fotoalbum, klappte es zu und stellte es ins Regal zurück. Den Klamottenberg vor seinem Schrank schob er nur mit dem Fuß zur Seite. Dann beugte er sich übers Bett, klopfte das Kissen aus und zog die Decke glatt. Dabei spürte er die ganze Zeit Bens Blick auf sich. Das machte ihn nervös.
„Kannst du dich noch an irgendwas von gestern Abend erinnern?“, fragte Ben.
Alex ließ vom Bett ab und sah zu ihm auf.
„Nein“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Das war das erste Mal, dass ich so ‘n Scheiß genommen habe.“
„Das sagen sie alle …“
„Im Ernst!“, verteidigte sich Alex. „Und es ist mir echt peinlich. Ich hab‘ mich bestimmt wie ‘n Idiot aufgeführt.“
„Oh, ja … und wie!“, lachte Ben. „Du hättest mich fast vergewaltigt.“
Alex erschrak und starrte ihn an.
„Na ja, nur fast“, korrigierte sich Ben. „Du warst ziemlich durch.“
„War‘s so schlimm?“, fragte Alex.
„Hm …“, machte Ben und tat nachdenklich. „Bis auf die Tatsache, dass du mich abwechselnd beleidigt und angebaggert, mich mit Koks beworfen und mir die Schuld an deiner Misere gegeben hast … Nein.“
„Klingt furchtbar“, erwiderte Alex. „Mindestens genauso furchtbar, wie ich mich heute fühle. Mir ist schlecht, schwindelig und ich hab‘ Kopfschmerzen.“
„Du Ärmster“, verspottete ihn Ben. „Eigentlich solltest du alt genug sein, deine Grenzen zu kennen.“
„Ich hab‘ das Zeug nicht freiwillig genommen“, entgegnete Alex. „Das hat sich so ergeben.“
„ So ergeben? “, hakte Ben nach. „Wie ergibt sich sowas denn bitte?“
„Das verstehst du nicht“, tat Alex ab.
„Aber ich will’s verstehen.“
Alex schritt zum Fenster. Laut seufzend lehnte er sich gegen die Fensterbank.
„Ich kann’s dir nicht sagen“, erwiderte er. „Auch wenn ich’s gern würde.“ Er stockte und senkte den Blick. „Aber wenn jetzt irgendwas schief geht, dann war alles umsonst.“
„Wie meinst du das?“, fragte Ben.
Alex presste seine Lippen zusammen. Alles wäre so leicht, wenn er Ben die Wahrheit sagen könnte; wenn er ihm erzählen könnte, dass er entführt worden war und Todesängste ausgestanden hatte. Doch das konnte er nicht. Er vertraute Ben nicht genug, nachdem er ihm beim letzten Mal in den Rücken gefallen war. Ein weiteres
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