Sommermond
atmete tief durch. Als er sie wieder öffnete, schien er sich beruhigt zu haben.
„Zu was zwingen die dich?“, fragte er. „Was musst du tun, um mich zu schützen?“
Alex erstarrte. Sein Mund öffnete sich einen Spalt. Dann wollte er etwas sagen, wusste aber, dass seine erste Reaktion schon Antwort genug gewesen war.
„Es stimmt also?“, fragte Ben. „Es stimmt, dass du irgend’n Scheiß baust, damit die Typen mir nichts antun?“ Er kam einen weiteren Schritt näher. Sein Blick war gequält. „Wozu zwingen die dich, Alex? Was ist in den letzten Monaten passiert?“
„Ben, ich …“, begann Alex, fand aber nicht die richtigen Worte.
Hilflos gestikulierte er vor sich in der Luft, bevor er seine Arme schlaff zu beiden Seiten fallen ließ.
„Rede gefälligst mit mir!“, befahl Ben. „Oder …“
„Oder was?“, unterbrach ihn Alex. „Oder du rennst zu den Bullen wie beim letzten Mal?“ Er lachte trocken auf. „Du hast immer noch keine Ahnung, oder?“
„Ahnung wovon?“, hakte Ben nach.
„Reichte dir das eben nicht?“, fragte Alex. „Das wäre sicher anders ausgegangen, wenn ich nicht dazu gekommen wäre.“
„Ich habe keine Angst vor den Typen“, sagte Ben. „Und du solltest auch keine haben.“
Alex wandte sich ab und lachte fassungslos auf. Er konnte nicht glauben, was Ben sich herausnahm. Er wurde wütend. Er war entführt und misshandelt worden und sollte keine Angst haben? Mit einer Waffe am Kopf hatte Rafael ihn dazu zwingen wollen, ihm einen zu blasen. Sie hatten ihn eingesperrt und geschlagen. Trotzdem sollte er keine Angst haben? Er taumelte ein paar Schritte rückwärts. Ungläubig schüttelte er den Kopf.
„Ich sollte jetzt gehen“, sagte er und drehte sich um.
„Ach, und jetzt haust du wieder ab?“, rief Ben ihm nach. „Wie beim letzten Mal?“
Die Worte verletzten Alex, trafen ihn wie ein Messerstich. Doch er ließ sich nichts anmerken und ging wortlos weiter.
„Mann, Alex!“, rief Ben und lief ihm hinterher. „Jetzt warte doch mal!“
Er packte ihn an der Schulter und versuchte ihn zum Stehenbleiben zu animieren. Doch Alex ignorierte ihn. Er riss sich los, eilte die Treppen hinauf und überquerte die Straße. Ben folgte ihm.
„Ich will für dich da sein“, hörte er Ben hinter sich, während er seinen Schlüssel hervorkramte. „Ich hab‘ aber nicht mehr viel Zeit. In eineinhalb Woche fliege ich in die USA. Ich hab‘ ein Stipendium bekommen.“
Alex blieb vor der Haustür stehen. Ihm wurde schlecht. Ben holte ihn ein und stellte sich vor ihn auf das Türpodest. Alex starrte entsetzt zu ihm auf.
„Bist du hergekommen, um mir das zu sagen?“, fragte er.
„Nein“, antwortete Ben. „Ich bin hergekommen, um dich noch mal zu sehen. Ich wollte das klären, was zwischen uns passiert ist. Ich …“ Er stockte und sog die Luft scharf ein. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass du schon wieder so in der Scheiße steckst.“
Alex nickte kaum merklich. Ein Gefühl völliger Gleichgültigkeit stieg in ihm auf. In letzter Zeit war zu viel geschehen. Deshalb schaffte er es nicht, Bens Worte und das, was sie bedeuteten, zu verarbeiten.
Er nahm seinen Schlüssel, trat neben Ben auf das Podest und schloss die Tür auf. Er betrat die Villa, befreite sich aus seinen Schuhen und ließ den Schlüsselbund auf die Kommode fallen. Dann ging er zur Treppe, um in sein Zimmer zurückzukehren. Er brauchte jetzt Zeit zum Nachdenken. Ben schien ihm diese allerdings nicht geben zu wollen. Wie schon damals blieb er hartnäckig. Er folgte ihm die Treppe hinauf, folgte ihm durch den Flur und folgte ihm bis zur Zimmertür. Alex streckte seine Hand nach der Klinke aus und tat, als wollte er sie herunterdrücken. Er spürte, wie dicht Ben hinter ihm stand. Dann drehte er sich um.
„Was willst du?“, fuhr er Ben an.
Ben blieb ruhig. Er blickte Alex fest in die Augen.
„Ich will wissen, ob du mich noch liebst.“
„Was?“ Alex lachte gequält auf, beruhigte sich aber, als er sah, dass Ben es ernst meinte.
Der Dunkelhaarige verzog keine Miene.
„Ist doch ‘ne einfache Frage“, erwiderte Ben. „Liebst du mich noch?“
In Alex tat sich ein Gefühlschaos auf. Bens Nähe löste ein Kribbeln in ihm aus, seine Frage ein unangenehmes Brennen.
„Ich hab‘ momentan wirklich andere Sorgen“, versuchte er sich rauszureden.
„In Ordnung“, sagte Ben und trat ein Schritt nach hinten. „Das war alles, was ich wissen wollte.“
„Was hast du denn jetzt vor?“, fragte
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