Sommermond
überforderte ihn so sehr, dass er sich plötzlich vollkommen leer fühlte. Plötzlich waren keine Gefühle mehr da. Auch sein Herzschlag beruhigte sich. Er stand einfach nur da und schien auf irgendein Wunder zu warten, das ihn aus dieser Situation herausholte. Er fühlte sich mehr tot als lebendig und verlor mit einem Mal jegliche Hoffnung. Stattdessen war er auf einmal fest davon überzeugt, dass sein Schicksal längst besiegelt war und er nichts mehr dagegen tun konnte.
Doch dann vibrierte es in seiner Hosentasche, parallel dazu ein dumpfes Piepen. Alex kam wieder zu sich, brauchte allerdings noch ein paar Sekunden, bis er wieder bei Verstand war. Das Signal seines Handys kündigte eine SMS an. Alex zog es aus seiner Tasche und löste die Tastensperre. In jenem Augenblick beschlich ihn doch wieder ein negatives Gefühl. Plötzlich wagte er es nicht mehr, die SMS zu öffnen, als hätte er Angst davor, dass es eine Nachricht sein würde, die ihm noch das letzte bisschen Verstand rauben würde. Dennoch drückte er auf die grüne Taste. Als er schließlich die wenigen Worte las, die sich zeitgleich wie unzählige Messerstiche in seinen Magen bohrten, erschrak er so heftig, dass er sein Handy fallen ließ. Nervös bückte er sich und hob es wieder auf. Gleich darauf las er die SMS noch ein weiteres Mal – in der absurden Hoffnung, ihr Inhalt könnte sich verändert haben.
„Das war ein Fehler …“ , stand in schwarzen Lettern auf weißem Hintergrund.
Alex musste schlucken. Seine Kehle war staubtrocken. Wie besessen starrte er auf die vier Worte und schaffte es nicht, seinen Blick abzuwenden. Er wusste, dass die SMS längst keine Drohung mehr war, sondern eine Konsequenz aus dem Verhalten seines Vaters. Die Typen mussten mitbekommen haben, wie Jo die Polizei informiert hatte oder wie der Dienstwagen auf die Einfahrt gerollt war.
Nervös fuhr er sich mit der flachen Hand über die Lippen. Ihm kam nur noch ein einziger Gedanke. Der, dass er zu Ben musste, um ihn vor einem möglichen Angriff zu bewahren. Aber wie sollte er das anstellen? Womöglich würde er es nicht einmal unbemerkt aus der Villa schaffen. Außerdem könnte es längst zu spät sein, bis er im Krankenhaus sein würde.
Alex schüttelte als Antwort auf seine eigene Frage den Kopf. Dann nahm er das Handy und tippte flüchtig eine Antwort.
„ Ich hab die Bullen nicht gerufen. Die sind von ganz allein hier aufg e kreuzt. Haltet Ben daraus! Ich werd das Geld besorgen. Bis morgen Abend.“
Er schickte die Nachricht ab, obwohl er nicht einmal wusste, ob die Typen sie lesen würden. Auch war ihm klar, dass er das Geld wohl kaum bis zum nächsten Tag zusammenbekommen würde. Doch dieses gelogene Versprechen war vorerst das Einzige, was er tun konnte, um Ben vor etwas Schlimmen zu bewahren. Das glaubte und hoffte er zumindest.
Er verharrte noch kurz, bevor er sich schließlich von der Fensterbank stemmte und sich auf den Weg in die untere Etage machte. Sein Handy umklammerte er dabei fest mit beiden Händen, als ob er befürchtete, dass es ihm jemand entreißen könnte. In unruhigen Schritten eilte er die Treppen hinunter und versuchte sich innerlich zu sammeln. Er hatte einen Plan, aber um diesen glaubwürdig erscheinen zu lassen, durfte er sich nichts anmerken lassen.
Die Tür zum Wohnzimmer stand offen. Schon von weitem konnte er die drei miteinander reden hören. Jo klang verzweifelt. Diese gespielt väterliche Sorge erschien Alex unglaubwürdig. Das konnten Außenstehende jedoch nicht wissen. Vorsichtig trat er näher, schlich bis zur Tür und spähte ins Zimmer. Die beiden Kerle von der Polizei saßen auf der Couch, Jo ihnen gegenüber. Auf dem Tisch standen Gläser und eine Flasche Wasser. Der Oberkommissar wirkte angespannt, der andere Typ saß schweigend da und hielt irgendeine Mappe in den Händen. Es sah unbeholfen aus, wie er seinen Blick abwechselnd von Jo zu seinem Kollegen schweifen ließ. Alex hörte, wie sein Name ein paar Mal genannt wurde. Genaueres verstand er nicht. Er beobachtete die drei noch einen letzten Moment, bevor er sich abwandte, ein paar Schritte rückwärts schlich und gleich darauf laut und ungehemmt durch den Flur schritt. Er klopfte in einer Geste der Höflichkeit an und trat anschließend ein. Der Oberkommissar betrachtete ihn kritisch. Dann warf er Jo einen fragenden Blick zu. Dieser nickte lediglich. Alex musste nun stark bleiben. Er musste seine Angst verbergen und gelassen wirken. Oberkommissar Wagner stand von
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