Sommermond
Ausgang.
„Entschuldigen Sie die Störung!“, sagte er noch und sprach bei geöffneter Tür besonders laut, als hoffte er, dass irgendein Handlanger des Spaniers ihn beobachtete und dadurch die Bestätigung dessen erhielt, dass Alex die Polizei nicht informiert hatte. „Mein Vater reagiert momentan etwas über. Ist wohl alles etwas viel gewesen in letzter Zeit.“
Der Oberkommissar nickte, wirkte allerdings einen kurzen Moment skeptisch. Prüfend sah er Alex in die Augen, doch der Blonde ließ sich nichts Außergewöhnliches anmerken.
„In Ordnung“, sagte er dann und wandte den Blick endlich ab. „Wenn doch etwas sein sollte, melden Sie sich aber.“
Alex nickte. „Natürlich.“
Dann wartete er noch, bis die beiden zu ihrem Auto zurückgekehrt waren. Anschließend ließ er seinen Blick durch die Dunkelheit des Vorgartens schweifen. Etwas Auffälliges entdeckte er nicht. Er schloss die Tür und atmete tief durch. Als er sich daraufhin zum Flur umwandte, traf er auf den festen Blick seines Vaters.
„Was?“, fragte Alex salopp.
„Was zum Teufel sollte das?“, entgegnete Jo. Seine Gesichtsmuskeln waren derart angespannt, dass er in jenem Moment älter und verbrauchter wirkte.
„Das sollte ich besser dich fragen“, gab Alex verärgert zurück. Er schaffte es ohne große Mühe, dem strengen Blick seines Vaters standzuhalten. „Wir hatten eine Abmachung, aber du hast mich mal wieder verarscht und bringst mich und Ben damit in Gefahr. Ist dir das überhaupt klar?“
„Du kannst das nicht allein regeln, Alex!“, fuhr sein Vater ihn daraufhin an. „Das ist schon mal schief gegangen.“
„Ja, weil dir schon beim letzten Mal alles egal war. Hättest du dich auch nur eine Sekunde für meine Probleme interessiert, hättest du mir vielleicht helfen können. Aber es ging immer nur um Ben und deine beschissene Arbeit!“
„Die Arbeit, die dir ein solches Leben überhaupt ermöglicht“, entgegnete Jo. Mit jedem Wort wurde er lauter. „Ich habe dir 40.000 Euro gegeben, ich habe dir keine Fragen gestellt! Und jetzt wollen die noch mehr Geld. Wie soll das denn zukünftig weiter gehen?“
„Du hast mir das Geld nur gegeben, weil Ben dich darum gebeten hat. Als ich dich gefragt hab‘, wolltest du mich zum Arbeiten zwingen“, erwiderte Alex.
Seine Hände ballten sich wie von selbst zu Fäusten. Zu gut erinnerte er sich daran zurück, wie er seinen Vater damals um Geld gebeten hatte und dieser ihm dies nur hatte aushändigen wollen, wenn er im Gegenzug mit Ben zusammenarbeitete. Zu jenem Zeitpunkt hatte er Ben und dessen Schwulsein allerdings verabscheut.
„Ich habe dir immer Geld gegeben“, zischte Jo. „Und ich würde es dir auch dieses Mal geben. Aber es geht hier um viel mehr. Es geht denen doch nicht um diese eine Summe. Die werden dich immer wieder bedrohen und uns so lange aussaugen, bis wir finanziell ruiniert sind. Für solche Typen bist du gefundenes Fressen.“
Alex senkte seinen Kopf und presste seine Lippen fest zusammen. Insgeheim wusste er, dass sein Vater Recht hatte, wollte sich dies aber nicht eingestehen.
„Nein, wenn die ihr Geld haben, lassen die mich in Ruhe“, sagte er stattdessen. Er glaubte seinen Worten selbst nicht.
„Sei doch nicht so naiv, Alexander! Das Gleiche haben die beim letzten Mal auch gesagt“, erwiderte Jo. „Die werden dich nicht in Ruhe lassen. Glaub es doch endlich!“
Alex schwieg ein paar Sekunden. In seinem Inneren herrschte ein derartiges Gefühlschaos, dass er längst keinen Überblick mehr hatte. Das eigentliche Thema verlor er völlig aus den Augen. Plötzlich ging es nur noch um die Auseinandersetzung mit seinem Vater und darum, das letzte Wort zu behalten.
„Dann sollen die mich halt umbringen“, sagte er schließlich. Seine Worte klangen so trotzig wie von einem Kleinkind, doch das interessierte ihn nicht. „Das kann dir doch nur recht sein. Dann bist du mich endlich los.“
„Alexander …“
„Alexander, Alexander, Alexander …“, wiederholte der Blonde. „Kannst du auch mal was anderes sagen?“
„Ich will dir helfen. Verstehst du das denn nicht?“, fragte Jo. Sein Blick verzog sich verzweifelt.
„Oh, nein“, gab Alex kopfschüttelnd zurück, „du hast nur keine Lust, die Verantwortung zu übernehmen. Wie immer. Genau wie bei Mutter.“
Er wusste, dass er Jo mit diesen Worten immer wieder an dessen persönlicher Achillesverse traf, nutzte diese Tatsache jedoch aus. Der Ausdruck im Gesicht seines Vaters verfinsterte
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