Sommermond
auftat.
„Wenn wir die Polizei einschalten, machen die uns fertig!“, fuhr Alex fort. „Ben hat vorhin angerufen. Ich hab‘ keine Ahnung, ob schon irgendwas vorgefallen ist, weil du gestern die Kripo gerufen hast. Mann, Vater! Du wolltest dich ändern, also hilf mir doch bitte!“
„Und dann?“, gab Jo unpassend ruhig zurück. „Was verlangen die als nächstes? Alexander! Das ist eine Nummer zu groß für uns!“
„Nein, die werden uns in Ruhe lassen! Das weiß ich. Diego ist mit dem letzten Geld untergetaucht. Der Boss der ganzen Scheiße will doch nur sein Geld. Mehr nicht!“
Jo wandte den Blick ab und starrte erneut auf die Zeitung. Alex glaubte zu sehen, dass er den Artikel noch einmal überflog. Er schien sich die gedruckten Worte zu Herzen zu nehmen. Alex wusste zwar nicht, ob dieser Schein trug, weil Jo sich ein anderes Ansehen in der Öffentlichkeit wünschte, oder ob ihm tatsächlich bewusst wurde, dass er mehr für Alex hätte da sein müssen.
Alex ballte seine linke Hand zur Faust, führte sie zu seinem Mund und tippte sich unruhig mit ihr gegen die Lippen. Gespannt wartete er auf eine Reaktion seines Vaters. Doch der schwieg vorerst.
Einen Moment lang glaubte Alex, dass keine weitere Antwort mehr folgen würde. Als er sich deshalb endgültig abwandte, hielt ihn sein Vater an der Hand zurück.
Alex schielte hinunter, sah die Hand seines Vaters an der seinen und fühlte sich fremd in dieser eigenartigen Position. Jo bemerkte dies und ließ von ihm ab.
„40.000 Euro sind eine Menge Geld ...“, sagte er.
In Alex stieg Aufregung empor. Sein Puls beschleunigte sich. Gespannt hielt er die Luft an.
„... aber ich werde sehen, was ich bis heute Abend tun kann“, beendete Jo seinen Satz.
Alex‘ Mund klappte auf. Er formte Worte, doch kein Laut schaffte es über seine Lippen. Er war fest davon überzeugt, sich verhört zu haben. Irritiert blinzelte er seinen Vater an und wartete darauf, dass dieser seine Aussage noch einmal festigte.
„Ich kann dir nichts versprechen“, sagte Jo daraufhin. „Ich muss erst ein paar Banken abfahren. Aber ich werde tun, was ich tun kann. In Ordnung?“
In Ordnung? , schallte es durch Alex‘ Kopf.
Das war mehr als in Ordnung. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Das Verhalten seines Vaters verschlug ihm die Sprache. Er wollte sich bedanken, doch erschien ihm keine einzige Formulierung als angemessen genug, um die Bemühungen seines Vaters zu würdigen. Schließlich fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen und warf Jo einen beeindruckten Blick zu. Als er dann glaubte, seine Sprache wiedergefunden zu haben, hörte er die Haustür aufgehen. Er räusperte sich und schluckte kräftig. Unterdessen faltete Jo die Zeitung zusammen und ließ sie in einer Schublade der alten Kommode zu seiner Rechten verschwinden.
Alex verstand sofort. Offenbar hatte Jo keine Lust, sich mit Bens Eltern über den Artikel zu unterhalten. Vermutlich wollte er ihnen diesen sogar gänzlich vorenthalten.
Nur einen Moment später traten Peter Richter und seine Frau in den Essbereich.
„Wie geht es Ben?“, fragte Jo sofort.
Er war noch immer sehr blass, schaffte es aber gut, seine Sorgen zu überspielen.
„Schon wesentlich besser“, antwortete Bens Mutter und lächelte. „Hast du noch einen Kaffee für uns?“
„Selbstverständlich“, erwiderte Jo und erhob sich vom Stuhl, um sich auf den Weg in die Küche zu begeben.
Alex stand noch immer wie angewurzelt da und versuchte, sein Glück zu verdauen.
„Warum sind Sie nicht länger bei ihm geblieben?“, fragte er trotzdem an Bens Mutter gewandt. Zu ihr hatte er seit dem Vorfall im Flur ein wenig Vertrauen aufgebaut.
„Nick ist noch bei ihm“, mischte sich Bens Vater ein. Er klang streng und Alex gegenüber äußerst abwertend.
Alex trafen die Worte wie ein Schlag in den Magen. Eifersucht stahl sich in seinen Verstand und machte ihn wütend.
„Sag mal, Sie checken’s nicht, oder?“, fuhr er Bens Vater an.
„Kannst du dich auch vernünftig artikulieren?“, warf dieser sofort zurück.
„So lange Sie sich nicht vernünftig mir gegenüber verhalten“, entgegnete Alex verärgert, „tue ich das auch nicht Ihnen gegenüber.“
Unterdessen kehrte Jo mit zwei Bechern Kaffee aus der Küche zurück. Er schien die angespannte Situation sofort zu bemerken. Vermutlich hatte er Alex‘ Worte schon vom Flur aus gehört.
„Alexander, bitte!“, versuchte er ihn deshalb zu besänftigen.
„Was denn?“, fragte Alex. „Der
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