Sommermond
provoziert mich doch ganz bewusst mit diesem bescheuerten Nick.“
Als er einen kurzen Blick in Richtung Bens Mutter warf, konnte er sehen, wie sie sich ein Grinsen verkniff.
„Was gibt’s denn da zu grinsen?“, fragte er gereizt, bemühte sich aber, etwas ruhiger zu klingen.
„Na ja, du bist ziemlich aufgebracht, wenn du eifersüchtig bist“, war ihre Antwort.
Sofort wandte sich Bens Vater an sie und verlangte mit seinem festen Blick nach einer Erklärung.
„Was soll das, Doris?“, fragte er und vertrieb damit das Lächeln aus ihrem Gesicht.
„Was soll was?“, gab sie ruhig zurück. „Ben und Alex sind ineinander verliebt. Das habe ich längst akzeptiert und das solltest du auch tun.“
„Mir fehlen die Worte …“, entgegnete Peter Richter und erhob sich vom Stuhl. Einen kurzen Moment wirkte er recht gefasst, doch schon im nächsten schlug er laut mit der Faust auf den Tisch.
Alex zuckte erschrocken zusammen.
„Der Kerl da“, fuhr er seine Frau an und nickte in Alex‘ Richtung, „bringt unseren Sohn in Lebensgefahr und du verteidigst ihn auch noch?“
Doris wich seinem Blick aus. Sie umklammerte ihre Kaffeetasse und biss sich auf die Unterlippe.
Alex wagte einen zögerlichen Blick in Richtung seines Vaters. Der schien sich allerdings aus dem Streit heraushalten zu wollen. Außerdem plagten ihn genügend andere Sorgen. Der Zeitungsartikel war längst nicht vergessen.
„Ich stehe hinter meinem Sohn“, antwortete Doris. „Egal, was er tut oder nicht tut. Egal, mit wem er zusammen sein will und mit wem nicht. Das ist sein Leben und wir können ihn nur bei seinen Entscheidungen unterstützen oder es eben sein lassen.“
Alex schaute nachdenklich in Doris‘ Richtung. Sie wählte ihre Worte gut aus, bevor sie sie aussprach. Sie schien Ben wirklich sehr zu lieben.
„In diesem Punkt kann und will ich ihn nicht unterstützen!“, fuhr Bens Vater fort und schob den Stuhl hinter sich weg. „Wenn es ums Bens Wohl geht, hört der Spaß auf! Und Alex ist mit Sicherheit nicht gut für unseren Sohn!“
Mit diesen letzten Worten wandte er sich endgültig ab, schritt zur Tür und verließ das Esszimmer. Doris blieb verunsichert zurück.
„Das tut mir leid …“, meinte Alex sofort.
„Was tut dir leid?“, fragte Doris und sah zu ihm auf. Ihre Augen glänzten. Offensichtlich hielt sie ihre Tränen zurück.
„Na, dass Sie wegen mir so ‘nen Ärger haben“, erwiderte Alex.
„Ach, was!“, tat Doris ab. „Außerdem kannst du mich duzen.“
Alex nickte. Dann senkte er seinen Kopf. Die Stimmung im Zimmer war bedrückend. Zu seiner Linken saß Jo, der mit innerer Verzweiflung kämpfte und von Zukunftsängsten geplagt wurde; ihm gegenüber Bens Mutter, die sich vermutlich zum ersten Mal gegen ihren Mann aufgelehnt hatte und die Folgen dessen nun kaum ertrug. Offensichtlich – das ging auch aus dem Gespräch im Flur hervor – war sie oft anderer Ansicht als ihr Mann, hatte es aber soeben zum ersten Mal gewagt, ihre eigene, ganz persönliche Meinung kundzutun. Infolgedessen kam sie nur schlecht damit zurecht. Wahrscheinlich war sie sich nach dem Streit nicht mehr sicher, ob sie falsch oder richtig gehandelt hatte.
„Ich werd‘ dann mal gehen …“, sagte Alex, während er mit seiner Hand Richtung Tür deutete.
Weder Doris noch Jo erwiderten etwas. Beide waren zu sehr in ihre Gedanken vertieft. Alex schob seinen Stuhl unter den Tisch und ging zur Tür. Dort blieb er noch einmal stehen und wandte sich an Jo.
„Danke, Vater“, sagte er.
Jo sah kurz zu ihm auf und nickte. Dann widmete er sich wieder seinem Kaffee und nippte an der weißen Tasse. Alex sah ihn ein letztes Mal an, bevor er das Zimmer endgültig verließ. Er durchquerte den Flur und tastete in seiner Hosentasche nach seinem Handy. Als er es fühlte, riss er seine Jacke von der Garderobe und warf sie sich über. Er musste nicht mehr auf Bens Anruf warten. Doris und Peter Richter waren nicht mehr bei ihm und Nick würde er, wenn es nötig sein sollte, von Bens Seite verscheuchen. Deshalb beschloss er, sich auf den Weg ins Krankenhaus zu machen. Er schuldete Ben eine Menge Antworten und wollte außerdem wissen, was in der Nacht passiert war. Er hatte dem Dunkelhaarigen angemerkt, dass etwas vorgefallen war, über das er dringend mit Alex sprechen wollte.
Er bückte sich und zog seine Schuhe unter der Garderobe hervor. Schnell schlüpfte er in sie hinein und nahm noch seinen Schlüssel von der Garderobe. Er öffnete die Tür
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