Sommermond
sehr leise. Man konnte ihn kaum verstehen.
Der Kommissar atmete erleichtert auf und legte seinen Kopf dabei zufrieden in den Nacken. Alex glaubte sogar, die Andeutung eines kleinen Lächelns zu erkennen. Der Polizist geleitete Ben zum Stuhl und deutete ihm an, sich zu setzen. Ben gehorchte wortlos. Oberkommissar Wagner setzte sich gegenüber von ihm.
Alex starrte Ben an und hoffte, dass er seine Worte noch einmal zurücknehmen würde. Aber das tat er nicht. Dann blickte er zu Bens Eltern, die nun sehr besorgt, aber gleichzeitig erleichtert aussahen.
„Um genau zu sagen, sogar zwei“, fuhr Ben fort.
„Mann, Ben!“, flehte Alex. Er war der Verzweiflung nahe. Es machte ihn verrückt, die Situation nicht mehr unter Kontrolle zu haben und enttäuschte ihn, dass ihm alle nahe stehenden Personen in den Rücken fielen. Erst Jo und jetzt auch noch Ben.
„Die wollen uns helfen, Alex! Kapierst du das nicht?“, wandte sich Ben an Alex.
Der Blonde schüttelte kaum merklich den Kopf. In jenem Moment erkannte er seinen Freund nicht wieder. Noch vor wenigen Stunden hätte er seine Hand dafür ins Feuer gelegt, Ben in jeglicher Hinsicht vertrauen zu können. Doch genau dieses Vertrauen war soeben missbraucht worden. Dass Ben sich damit selbst in Gefahr brachte, schien ihm kaum bewusst zu sein. Vermutlich hatte er schon viele Filme gesehen, in denen derartige Stories ein gutes Ende nahmen. Aber die Realität sah anders aus. In der Realität zeigten Kerle wie der Spanier nur wenig Erbarmen.
Alex wurde wütend, versuchte sich aber zu beherrschen. Niemand beachtete ihn. Alle Blicke klebten erwartungsvoll und gespannt an Ben.
„Fahren Sie bitte fort!“, forderte ihn Kommissar Wagner auf. Parallel deutete er seinem Kollegen an, das Diktiergerät auf dem Tisch einzuschalten.
Ben senkte den Blick. Er sah nicht gut aus. Er war blass. Aus seinen Lippen war jegliche Farbe gewichen.
„Gestern Nacht“, begann Ben, sah dabei nicht einmal auf, „kam ein Typ ins Krankenhaus. Er hat mich mit ‘ner Pistole bedroht und wollte wissen, was ich der Polizei erzählt habe.“
Kommissar Wagner nickte. Seine Gesichtsmuskeln waren angespannt. Er sah konzentriert aus und ähnelte in jenem Moment mehr einem Psychologen als einem Polizisten.
„Bitte was?“, mischte sich Bens Vater entsetzt ein.
Wagner machte sofort eine besänftigende Geste in dessen Richtung. Offenbar wollte er nicht, dass Ben aus dem Konzept gebracht wurde. Alex warf einen Blick in Doris‘ Richtung. Sie hielt ihre Hände ineinander verschränkt vor ihrem Mund und stand den Tränen nahe.
„Ich hab‘ ihm alles gesagt und danach hat er mir gedroht, Alex etwas anzutun, wenn ich noch mehr ausplaudern sollte“, fuhr Ben fort.
„Was meint er mit mehr ?“, fragte Wagner und schob das Diktiergerät ein Stück weiter in Bens Richtung.
„Na ja, ich hab‘ in den letzten Wochen viel mitbekommen“, erwiderte Ben.
Alex hielt die Luft an. Er hoffte inständig, dass Ben dem Kommissar nichts von dem Quartier erzählen würde. Denn das würde fatale Folgen haben.
„Und weiter?“ Wagner hielt seine Fragen bewusst knapp.
„Heute Morgen hab‘ ich erfahren, dass die Kripo … also dass Sie … gestern hier waren.“ Ben stockte. Er hob seine Hände und begann nervös an seinen Fingernägeln zu pulen. „Von Alex erfuhr ich dann, dass auch er bedroht worden ist. Der Typ, dem er das Geld schuldet … der Boss dieser ganzen Bande … hat ihm an der Elbe aufgelauert.“
Alex biss die Zähne zusammen und atmete aufgeregt ein und aus. Er spürte, wie er zu zittern begann und sich mit jeder weiteren Sekunde stärker zusammenreißen musste.
„Die wollen noch mal 40.000 Euro von ihm“, erzählte Ben. „Angeblich haben die das andere Geld nicht erhalten. Dieser Diego sei untergetaucht oder so …“
Alex‘ Herz hämmerte wie wild gegen seinen Brustkorb. Am liebsten wäre er aufgestanden, hätte Ben vom Stuhl gerissen und ihn angeschrien. Nur sein letztes bisschen Verstand hielt ihn zurück und versuchte ihn zu beruhigen. Doch sein Körper war bereits von Unmengen Adrenalin überflutet und sehnte sich danach, die Wut an irgendetwas auszulassen. Um diesem Druck überhaupt noch standhalten zu können, krallte er die Fingernägel seiner rechten Hand so fest in die Haut seiner linken, dass es schmerzte.
Ben seufzte und starrte noch einen letzten Moment auf seine Beine, bevor er schließlich zum Kommissar aufblickte.
„Alex wollte Sie nicht belügen. Er hatte nur Angst. Der
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