Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
tiefen Klüften, und das Blau seiner Augen hellte sich eisig auf. »Die nackten Frauen in deinem Bett. Du warst dabei, eine Erklärung abzugeben. Du bist wirklich einer der vergesslichsten Dreckskerle, die ich je getroffen habe.«
Weder seine verbalen noch visuellen Hinweise lösten in mir irgendetwas aus. Dolly rollte mit den Augen. »Ein Gedächtnis wie ein Sieb.«
»Löchriger als ein Schweizer Käse«, stimmte er zu. »Ein leerer Bienenstock.«
»Ein lecker Eimer.«
Der alte Mann rieb sich über seine struppigen Haare und wusste nicht mehr weiter.
Dolly versuchte es noch einmal. »Er benutzt ein Lachsnetz, wenn er Heringe fangen will.«
»Sehr gut«, sagte der alte Mann. Mit den Fingerspitzen, die sie an den Mund legte, spielte sie die Kokette. Auf ihr linkes Lid war das gleiche dritte Auge aufgemalt, es entsprach genau dem des alten Mannes. Zu welch grotesken Spielen, so dachte ich, kommt es hier während meiner Abwesenheit?
Er wandte sich zu mir. »Du sagtest, glaube ich: ›Als ich heute nach Hause kam, lagen sieben Fahrräder auf dem Rasen, die wie irgendwas des Himmels glänzten.‹«
»Wie der Spiegel des Himmels«, sagte ich. »In den Chromlenkern und Schutzblechen spiegelten sich eine Million kleiner Sonnen. Aber das ist alles, woran ich mich erinnere.«
»Das Gegenteil eines Elefanten«, sagte Dolly, »der vergisst nie etwas.«
»Ein undichter Kessel.«
»Eine nicht aufgezogene Uhr.«
»Zyklische Amnesie.« Er verneigte sich.
»Sehr gut.« Nun wandte sie sich direkt an mich. »Immer wenn ich etwas verliere, verfolge ich meine Schritte zurück. Ich beginne mit dem Ende und höre mit dem Anfang auf. Oder bis ich gefunden habe, was verloren gegangen ist. Sollen wir in deinem Gedächtnis suchen? Was ist das Letzte, woran du dich erinnern kannst?«
Der Sturz. Mein Gesicht, das auf dem Boden des Badezimmers aufschlägt, ein Tsunami von Blut, der über die Fliesen schwappt und gegen die weiße Wand der Badewanne schlägt. »Dass ich auf meiner Uhr nachgesehen habe, wie spät es ist.«
»Gut«, sagte der Alte. »Ein Fortschritt. Du kommst also heute Nachmittag acht Minuten vor der vollen Stunde nach Hause, und da türmen sich sieben Fahrräder in einem Durcheinander aus Speichen und Ketten. Und was geschah dann?«
»Ich habe noch nie Fahrräder vor dem Haus gesehen, aber normalerweise bin ich an Arbeitstagen zu dieser Zeit auch nie hier. Ich dachte, sie gehören vielleicht irgendwelchen Schulkindern, die ihre Fahrräder hier liegen gelassen haben und spielen gegangen sind. Sie sahen angekettet und zusammengeschlossen aus, die Fahrräder, nicht die Kinder, es waren ja auch keine Kinder da. Niemand war da, obwohl es eine sehr angenehme Tageszeit war, da es nun wieder warm wird. Man spürt den Wechsel der Jahreszeit in der Luft.«
»Die Tage werden wieder schöner«, sagte der alte Mann.
Dolly tätschelte sein Bein und legte ihre Hand auf sein Knie. »Juni. Die Vögel und die Bienen, der Duft der wiedererblühenden Liebe. Vielleicht bist du wegen einer Verabredung früher aus der Arbeit gegangen?«
»Wegen eines unerlaubten romantischen Rendezvous«, sagte er.
»Liebe am Nachmittag«, sagte Dolly, und der Punkt war gewonnen.
Ich war mir halbwegs sicher, dass dies nicht zutraf, obwohl dieses Liebesgerede eine weitere Reihe von Bildern durch mein Hirn wirbeln ließ. Eine Frau, die von Glühwürmchen umschwirrt wurde, und irgendetwas, das ich ihr sagen oder mit ihr machen wollte. Liebe, ja. Ich wusste, dass ich jemanden liebte, an den ich mich nicht so recht erinnern konnte. Als ich ihr an einem Frühlingsnachmittag die Taxitür öffnete, berührte sie meinen Arm und lächelte, als sie einstieg und davonfuhr. Nachdem sie fort war, schwebte sie noch in der Luft. In meinem Erbsenhirn entfaltete sich eine andere Geschichte.
»Nein, kein Stelldichein. Es war ein Tag wie jeder andere. Ich war etwas müde und gelangweilt, und da ich an meinem Schreibtisch fast eingeschlafen wäre und nichts Dringendes anlag, ging ich etwas früher aus dem Büro. Die Fahrräder lagen in einem wilden Knäuel vor dem Haus, und ich stand einfach verwundert da, als das Singen begann.«
»Singende Fahrräder!« Verträumt klatschte der alte Mann in die ledrigen Hände, sodass eine Puderwolke toter Haut in die Luft puffte.
»Keine singenden Fahrräder, Gesang aus den Fenstern.«
»Noch besser«, sagte Dolly. »Singende Fenster. Oder vielleicht hat ja das Haus selbst gesungen.«
Bachelard würde eine solche Möglichkeit in
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