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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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wusste nicht, wohin, darum sprudelte er als Tränen und Spucke aus ihr heraus. Blut schoss ihr ins Gesicht, sodass ihre Haut sich dunkel von dem orangefarbenen Chiffonnachthemd abhob, das sich um ihre schlaksige Gestalt wand. Als sie mit den Füßen aufstampfte, sahen ihre langen Beine wie Zaunpfähle in einer Torfwiese aus. Obwohl die Raserei ihre Gesichtszüge verfinsterte, erinnerte mich ihr Wutanfall an einen Ausbruch, den ich vor langer Zeit miterlebt hatte. Ich konnte mich jedoch weder an den genauen Ort, die Zeit noch an die Person erinnern. Ich wandte mich wieder meinen Gefährten zu, wollte mit ihnen reden, doch sie untersuchten den Spieß, der in der Wand steckte. Dolly schlug mit der Hand auf den Schaft, und die Vibrationen erzeugten ein tief dröhnendes Brummen, was bestätigte, dass er tatsächlich feststeckte.
    »Hierher, mein Kind«, sagte der alte Mann. »Komm, zieh deine Harpune heraus und entschuldige dich.«
    »Die Pest fahr’ euch in den Hals«, zischte sie. Mit drei langen Schritten marschierte sie ins helle Licht des Badezimmers, und ihre grünen Augen unter den sturmgepeitschten hellbraunen Haaren schleuderten wilde Blicke auf die Anwesenden. Als sie an mir vorbeiging, kräuselte sich ihre Oberlippe zu einem höhnischen Grinsen, dann stemmte sie ihren Fuß gegen die Wanne, ergriff die Waffe und zog. Ihre Bizepse wölbten sich zu kleinen Muskelbeulen, und mit lautem Stöhnen zog sie die Spitze mit den zwei Widerhaken aus den Kacheln. Der alte Mann streckte die Hand nach der Waffe aus, die sie ihm ohne weitere Klagen übergab.
    Er befingerte die Spitze und tat so, als sei sie rasiermesserscharf. Obwohl beim bloßen Berühren der Haken kein Blut floss, sah die Waffe in seinen Händen furchterregend aus, und mein Blick huschte zwischen den Widerhaken und der Barbarin, die diese Waffe nach mir geschleudert hatte, hin und her. Hinter ihrer filzigen Mähne entzog sie sich einer eingehenden Prüfung. Eine Kachel, die sich durch den Einschlag gelockert hatte, fiel herunter und zerschellte in der Wanne.
    »Damit hättest du jemanden verletzen können«, sagte der alte Mann. »Das ist kein Kinderspielzeug, das man einfach so herumschleudert. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Mädchen des Meeres? Wer oder was bist du, und warum hast du versucht, meinen Freund mit deinem Spieß an die Wand zu nageln?«
    »Manche nennen mich bei meinem Vornamen Jane«, sagte sie. »Doch man kennt mich unter vielen Namen, die sich alle von meinem äußerst gewöhnlichen Nachnamen ableiten.«
    »Sollen wir raten?«, fragte der alte Mann.
    »Somers«, sagte Dolly. »Gates. Newport.«
    »Ach was. Keiner von diesen Kerlen. Schaut mich nur an, und ihr werdet es erraten.«
    Der alte Mann kratzte sich am Kinn, während er sie von Kopf bis Fuß musterte. »Filzlocke? Bohnenstange? Knochengerüst?«
    »Long«, sagte sie. »Ich werde oft Long Jane Long genannt, wegen meiner Größe.« Sie hob die Fersen vom Boden und streckte den Rücken. »Vielleicht kennt er mich aber als Long John Long.«
    Ich gestehe, ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. Ich kannte keine Longs, weder einen John noch eine Jane, und ich sah auch keinen Grund, warum ein Mädchen sowohl einen männlichen als auch einen weiblichen Namen haben sollte. Es lag jedoch etwas Unvergessliches in der Art, wie sie sprach, oder vielleicht besser: in der Eigenart ihres Dialekts, ein leicht britischer Akzent, so als versuchte sie, ihre Herkunft zu verbergen – oder auch preiszugeben. Der alte Mann hielt die Harpune wie einen Bischofsstab neben der Badewannen-Kathedrale. Dolly setzte sich neben ihn, und ich stand neben der Toilette.
    Die große Frau drehte den Hahn des Waschbeckens auf, steckte den Stöpsel hinein und füllte es mit sprudelndem klaren Wasser. Als sie einen ihrer langen Finger in das Wasser tauchte, verwandelte sie die farblose Flüssigkeit in ein salzhaltiges Blaugrün und erschuf – mit ihrem einen rührenden Finger – eine Art Miniaturmeer mit Wellen, Schaumkronen und Gischt, die sich wie Seifenschaum am Porzellanrand sammelte. Wir drei Beobachter spähten in diesen Ozean und entdeckten ein Miniaturschiff, ein Schiff, das der Buddel entkommen war, das gegen die Wogen ankämpfte und im Sturm unterging. Der alte Mann sprudelte vor Freude und flehte sie an, mit ihrer Geschichte zu beginnen. »Los, los.«

Kapitel vier Die Frau, die einen Wal verschlang
    I m Jahre des Herrn 1609, acht Wochen nachdem die Sea Venture Woolwich verlassen und sieben, seit

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