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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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beschäftigt mich: Was geschah eigentlich mit dem Pastor Noyes?«
    Ihre grünen Augen loderten auf wie die eines wilden Tieres, als sie sprach, und hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich geglaubt, Alice verzauberte uns. »Späte Gerechtigkeit ist manchmal umso süßer. Nicolas Noyes lebte nach den Salemer Prozessen noch fünfundzwanzig Jahre, genoss einen guten Ruf und bedauerte schließlich und entschuldigte sich für seine Rolle bei der Verurteilung von Unschuldigen, doch letztendlich erfüllten sich Sarah Goods Prophezeiung am Gallows Hill. Eines Morgens wurde er wach, hustete ein Mal ins Kissen und sah die ersten roten Tropfen. Ein Aneurysma im Gehirn, ein Blutsturz, der ihm das Blut aus der Nase und dem Mund strömen ließ. Und er lebte gerade noch lang genug, um die Bedeutung der roten Flecken auf seinem Nachthemd und der Bettwäsche zu begreifen.«
    Als hätte mich der Blitz getroffen, hämmerte es plötzlich mit der Grausamkeit einer Migräne in meinem Kopf, und der Raum begann sich zu drehen, sodass ich mich hinlegen musste.

Kapitel sieben Schnittchen mit Flittchen
    M anchmal gibt es keinen Ort, wo ich lieber wäre, als unter der Decke in meinem eigenen Bett in meinem eigenen Haus. In der Poetik des Raumes sagt Bachelard: »Wenn man uns nach der wertvollsten Annehmlichkeit des Hauses fragte, würden wir sagen: das Haus beschützt die Träumerei, das Haus umhegt den Träumer, das Haus erlaubt uns, in Frieden zu träumen.« Im weiteren Sinne bildet somit das Schlafzimmer, und insbesondere das Bett, in dem wir ein Drittel unseres Lebens verbringen, eine Art sicheren Hafen für das wahre Ich, ein unbewusster Zufluchtsort vor den Angriffen der äußeren Welt. Das Bett in situ wird zum stärkenden Mutterleib, wo die Fantasie genährt wird, während unser ruhender Körper in Sicherheit weilt. Mit geschlossenen Augen treibt man in der Wärme dahin, die Decke übt einen sanften Druck auf den Körper aus, der eigene Atem geht so gleichmäßig wie das Mutterherz, und alle Sorgen verflüchtigen sich. Das vertraute Bett – in einem fremden Hotel kann ich nie wirklich gut schlafen – bietet eine Behaglichkeit ohnegleichen. Es oder sie – ich kann nicht umhin, das Bett als weiblich zu empfinden – ist das Haus im Haus, der Ort aller Erneuerung, und wenn ich müde oder krank bin, etwa schlimme Kopfschmerzen habe, falle ich in ihre zarten Arme. Natürlich ist ein Bett noch vieles mehr, und wie Bachelard ebenfalls sagt: »Schlaf öffnet in uns ein Gasthaus für Hirngespinste. Am Morgen müssen wir die Schatten hinausfegen.« Als ich aus dem Badezimmer taumelte und mein armer Schädel vor Schmerz fiepte, zog es mich aber wegen seiner stärkenden Kraft in mein geliebtes Bett.
    Unglücklicherweise hatte ich die Frauen vergessen, die darin schlummerten. Als ich die Tür zu meinem Schlafzimmer öffnete, ergoss sich das Licht vom Flur auf ihre ruhenden Formen. Die fünf Verbliebenen hatten sich kaum bewegt, seit ich sie zuletzt, zusammengedrängt zu einem wirren Quilt aus nackten Gliedern und ruhigen Gesichtern, gesehen hatte. Eine der Frauen, deren nackter Körper die Kurven eines Cellos hatte, lag mit dem Gesicht zur Wand. Da ich sie keineswegs wecken wollte, zog ich die Tür rasch und sachte zu, wobei das leise Klicken des Schlosses mir eine Schmerzattacke durch die Stirnhöhle jagte. Ein Schläfchen in meinem eigenen Bett war unter diesen Umständen unmöglich, die einzig vernünftige Alternative bot das Sofa im Wohnzimmer.
    Nun lässt sich eine Couch nicht mit einem Bett vergleichen, doch für die beruhigende Wirkung meines Sofas sprechen viele Sonntagnachmittage, an denen ich vor dem Fernseher ausgestreckt eingeschlafen bin und irgendein Sportereignis ohne mich weiter ging, auch mal eine ganze Nacht vor einem Schwarz-Weiß-Film, der irgendwann endete, oder mit einem Buch, das zeltartig auf meiner Brust lag oder zu Boden geglitten war. Ich sah die verführerischen Polster förmlich vor mir, die warme Häkeldecke, die gefaltet über der Lehne lag, und die kleinen, zwanglos, aber kunstvoll drapierten Kissen und betrat mit der Vorfreude eines Liebhabers das abgedunkelte Wohnzimmer. Von seinem üblichen Hochsitz auf dem Videorekorder hörte ich den Kater einmal miauen, dann deutete er mit seinem Schwanz auf die LED -Uhr. Ich war froh festzustellen, dass sich einige Dinge nicht verändert hatten, und war dankbar für die beruhigende Gegenwart eines anderen Lebewesens. Ich ließ mich auf dem Sofa nieder, schloss die

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