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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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Nachdem zwei Frauen mich in Bänder aus violettem Tuch gewickelt und mir Sandalen an die Füße gezogen hatten, betrat ich mit zwanzig anderen, Männern und Frauen, die Klause. Ganz hinten standen der König und die Königin am Altar der Schlange. Glaubt ihr, fragte der König, an die Macht des Voodoo ? Er klopfte mit einem Stock auf den Käfig, und die Schlange glitt zur anderen Seite. Werdet ihr seinen heiligsten Zauber geheim halten? Bei dieser und den vielen weiteren Fragen, mit denen ihr Glauben geprüft werden sollte, riefen die Versammelten: Ja. Dann mussten sich die Menschen vor der Schlange verbeugen, und es wurde ein Feuer entzündet. Die Königin schritt mitten durch die Flammen, ohne sich zu verbrennen, und noch andere wundersame Kunststücke wurden im Namen des Voodoo vollbracht. Ich war zwar von den Nonnen in Saint-Domingue zu einer guten Christin erzogen worden, aber dennoch: Derartige Wunder lassen sich nicht einleuchtend erklären. Als die Vorstellung vorüber war, stellten sich die Bittsteller in zwei Reihen auf und warteten geduldig auf ein Gespräch mit dem König und der Königin, so wie Kinder, die mit ihrer Mama oder ihrem Papa reden wollen, sich anstellen. Und ihre Wünsche waren so normal wie die von Kindern.
    Frag den Voodoo , sagte eine junge Frau, ob mein Mann mich betrügt, und tut er es, soll ihm seine eigene Schlange zwischen den Beinen abfallen. Ein alter Mann bat um drei weitere Lebensjahre, damit er seinen jüngeren Bruder überlebe. Eine dritte Person wollte, dass sie in den Augen ihres Geliebten schöner erscheine, denn er finde sie zu reizlos, um sie zu heiraten. Andere baten darum, von ihren Leiden geheilt zu werden, und wieder andere wünschten ihren Feinden ebendiese Leiden an den Hals. Als es an mir war, mit dem König zu sprechen, verspürte ich Angst. Er war kein Mann aus Domingue, sondern aus Afrika, ein Mann aus dem Kongo, mit einem breiten Kreuz wie ein Bulle und einer mächtig gewölbten Brust, aus der seine Stimme dröhnte, selbst als er mich sanft fragte: Was kann die Schlange für dich tun, meine Tochter? Ich erzählte ihm, wie ich in die Dienste des fetten M. LaChance und seiner sechs pummeligen Kinder nach Louisiana gekommen war. Und über den Vertrag meiner Freilassung, über das Feuer, das mein Geld verschlungen hatte, und von den Misshandlungen durch den Sohn Georges. Selbst die Geschichte von dem Schoßhündchen, das eine ständige Erinnerung an meine Scham ist. Der König stieß ein Gekläff aus, das wie das von Georges’ Scheusal klang, und ich war überzeugt, der König kenne bereits meine Kümmernisse. Du musst den Eid ablegen, sagte er, bist du bereit? Ich war bereit, auf Besseres zu hoffen als das, was mir bisher widerfahren war, und ich nickte. Der König nahm mein Gesicht in seine riesigen Hände: Meine Tochter, füttere den Master mit in Fett gekochtem Mais und brate sein Fleisch und seinen Fisch in Unmengen von Butter. Schmuggle ihm noch mehr Andouille in das Gumbo und fetten Speck in sein Frühstück. Backe ihm Kuchen, und lass sie ihn mit Bier und Cider hinunterspülen. Serviere ihm zu jeder Mahlzeit eine Dreingabe, eine unerwartete Gaumenfreude, und sorge dafür, dass sie üppig, fett oder sahnig ist. Stopf die alte Gans, und du gewinnst deine Freiheit. Noch heute Nacht werde ich dir ein Zeichen der Kraft des Voodoo geben. Obwohl ich wusste, dass es falsch war, sagte ich: Amen.
    Kaum hatte der letzte Bittsteller seine Worte gesprochen, wurden der König und die Königin sehr aufgeregt. Er hob den Käfig mit der Schlange vom Altar, stellte ihn auf den Boden, und die Grand Lady, die Voodoo -Königin, stieg auf den Käfig und gebärdete sich, als wäre die Schlange leibhaftig in sie hineingekrochen. Sie begann in einer seltsamen Sprache zu sprechen, die ich noch nie hier in Orleans oder Saint-Domingue oder irgendwo sonst auf der Welt gehört hatte. Sie zeigte auf mich und forderte mich auf, ich möge zu ihr kommen.
    Der König zog mit einem Stück Holzkohle einen Kreis und bedeutete mir, mich in ihn hineinzustellen und einen kleinen Jutebeutel um den Hals zu tragen, der mit Haaren und Hörnern dekoriert war. Er schlug mir mit einem Stock auf den Kopf und stimmte dazu wieder einen Singsang in kongolesischer Sprache an. Alle Versammelten sangen seine Worte nach, und dann sollte ich tanzen. Ich tat es, erst ganz langsam, doch dann fuhr eine Anwandlung oder ein Geist in mich, und ich spürte, dass mich das Gewicht all meiner Sorgen zu Boden zog; ich

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