Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
wie er wie ein Maisstängel verdorrte und starb. Keiner wollte mich mehr, und ich hatte kaum noch Erspartes. Ich ging zu meinen Freunden nach Tremé und kochte ab und zu für Mr. Puckett, sagte sie. Entrüstet entfuhr mir: Du warst in Tremé? Du warst wieder hier in Orleans und hast mich nicht einmal besucht? Ich habe mich geschämt, sagte Hachard. Und dann wurde ich selber krank, war schon auf dem Weg zum Himmel, und dann ist das Haus meiner Freunde wie alle anderen abgebrannt, und jetzt bin ich hier und bitte um Almosen. Ach, was soll nur aus mir werden? Sie ergriff meine Hände. Glaubst du, LaChance würde mich wieder nehmen? Ich schüttelte den Kopf. Wir sind jetzt nur noch zu dritt und das Baby. Erst jetzt schien sie Clothilde neben sich zu bemerken. Wessen Kind ist das? Ich zeigte auf mein Herz. Und wer ist der Vater, doch sicher nicht die alte Gans? Ich senkte den Kopf, Non. Erinnerst du dich noch an den kleinen Georges? Pfft, der ist doch noch ein ganz junges Kerlchen. Nein, Maman, er ist erwachsen geworden und hat nur das im Sinn, was alle Männer im Sinn haben. Er hatte einen kleinen Hund, der ihm überallhin nachlief, und eines Nachts, als ich das Bellen vor meiner Tür hörte, wusste ich, dass es Georges war und warum er gekommen war. Ich versuchte, Nein zu sagen, doch er zwang mich dazu. Mehr als ein Mal. Und ich dachte, nun ja, vielleicht behält er mich in plaçage , so wie manche andere schwarze Frauen von Weißen ausgehalten werden, aber nein. Dann kam es, wie es kommen musste, die Leute zerrissen sich das Maul, und ich wollte nur noch sterben. Georges ist so fett und so weiß wie Buttermilch, und als das Baby zur Welt kam, jagte ihn seine Mutter mit dem Besen aus dem Haus. Er ist jetzt oben in Baton Rouge und hat ein Techtelmechtel mit irgendeinem Cajun-Mädchen, was Besseres fällt ihm nicht ein. Aber den kleinen Hund hat er dagelassen, und jedes Mal, wenn der mir über den Weg läuft, möchte ich ihm einen Tritt verpassen. Sein Baby hat er auch dagelassen.
Sie streichelte über das Haar des Kindes. Was führt denn dich hierher, Marie? Das Feuer, sagte ich, genauso wie dich. Das ganze Haus ist abgebrannt, auch mein Zimmer und mein Geld, das ich unter der Matratze versteckt hatte, auf der du geschlafen hast. Tiefe Traurigkeit verdunkelte ihre Züge. Was ist aus der Familie geworden? Wir sind umgezogen, bis das Haus wieder aufgebaut ist, doch meine dreihundert spanischen Dollar sind für immer weg. Es war fast genug, um mich freizukaufen. Ohne Vorwarnung schloss Hachard die Augen und hielt sie so lang geschlossen, dass ich schon Sorge hatte, sie sei vielleicht eingeschlafen oder der liebe Gott sei wie ein Dieb gekommen und habe ihre Seele gestohlen. Als ich ihre Hand berührte, fuhr sie fast aus der Haut. Mach das nie mehr, sagte sie. Ich habe gerade nachgedacht, und du hast mich erschreckt. Sie beugte sich so nah zu mir, dass ihre Worte ganz allein in mein Ohr drangen, und flüsterte: Gehst du sonntags abends zu la Conga auf dem Platz? Ich lachte und deutete mit dem Kopf auf das schlafende Baby. Ich gehe nirgendwohin, aber früher gab es mal einen jungen Mann, der mich mochte, und wir tanzten die Bamboula, um die Trommeln zu hören, und den Kontratanz, um den Weißen zu zeigen, wie er richtig getanzt wird, und, oh, das eau-de-vie . Du bist nicht die Einzige, die eine wilde Seite in sich hat, doch, ach, er war Kubaner und ging nach Habana zurück – was für ein schöner Junge. Hast du, fragte Hachard, je den Voodoo getanzt? Seit Jahren hatte ich von dem geheimen Tanz gehört und von dem Zauber, dem alle verfielen, die die Initiation wagten, doch ich selbst hatte mich nie getraut, dorthin zu gehen. Hinter ihrer Frage steckte ein Plan, ihre Stimme verriet sie, und obwohl ich nicht wusste, was sie im Sinn hatte, nahm ich doch an, am besten sei es für mich, sie zu ermuntern. Nein, habe ich nicht, doch ich würde ihn gerne lernen. Das ist gut, sehr gut, sagte sie, denn dort werden deine Gebete erhört. Entweder bekommst du dein Geld oder deine Freiheit; wir werden den König und die Königin fragen, was zu tun ist. Mit ihrer knotigen Hand strich Hachard über das Haar der schlafenden Clothilde. Und vielleicht sprichst du auch ein Gebet für mich, oder?
In einer heißen Juninacht ließ ich das Baby bei einer Nachbarin und traf Hachard auf der Place Conga. Zusammen gingen wir in ein dunkleres Viertel der Stadt, wo es einen leeren Stall gab und keine Blicke die heilige Zeremonie entweihen konnten.
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