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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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konnten ihren Appetit nicht zügeln. Oui, Madame. Solange der Master lebte, sagte sie, hätte er deinen Vertrag nicht erfüllt. Nicht, solange du seinen Bauch fülltest. Ich schlug ein Kreuz, als sie seinen Namen erwähnte, und verspürte ein kurzfristiges Aufwallen meines schlechten Gewissens, weil ich Voodoo angewandt hatte, um ihn ins Jenseits zu befördern, doch das ging schnell vorüber. Wie viel Geld hast du? Fast dreihundert spanische Dollar, Madame, doch diese Summe hatte ich schon einmal, als das große Feuer kam. Ja, ich weiß, genug, um dir und Clothilde die Freiheit zu erkaufen. Sie stand vor mir, doch ich wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen. Marie, sagte sie, wir gehen morgen zum Gericht, du und ich. Dort werden wir für dich und deine Tochter die Papiere unterschreiben, und wenn du bereit bist, dann bist du frei hinzugehen, wohin du willst, und du sollst behalten, was du verdient und gespart hast, und ich lege dir als Entschädigung noch hundert dazu. Aber, Madame, protestierte ich, Ihr habt gesagt, dass Ihr nichts habt. Sie hob einen Finger an die Lippen. Ich kann die Sünden meines Mannes und meiner Kinder nicht ertragen. Nun gib mir einen Kuss, denn ich werde dich vermissen.
    Clothilde und ich zogen nach Tremé und schlüpften bei Hachard unter, bei der nun alten Krähe, die aber durch unsere Gegenwart neuen Lebensmut bekam. Mr. Puckett gab mir ihren alten Job als Köchin in einer Taverne für die Cajun-Leute, und an den Sonntagen ging ich wieder in die alte Kirche, auch wenn ich sonn tagsnachts noch immer den Voodoo tanzte. Als im darauffolgenden Sommer das Gelbfieber ausbrach und in ganz Orleans viele Menschen starben, galt meine Hauptsorge meinem Kind und der alten Hachard, doch beide entgingen der Seuche. Zu meinem großen Unglück steckte ich mich im Juni ’96 mit dem Fieber an und welkte rasch dahin. Mach dir keine Sorgen, ma chérie , sagte ich meiner Tochter, die an meinem Bett weinte, Hachard wird sich um dich kümmern, und außerdem bist du ein freier Mensch. Geh nicht, weinte sie, als ich diese Welt verließ, geh nicht. Und das Letzte, an das ich mich erinnere, war das Bild meiner Mutter, die weggeführt wurde, als ich genau dieselben Worte rief.

Kapitel neun Lücke mit Tücke
    M arie zog sich rasch an, steckte den violetten Umhang an der Schulter zusammen und verbarg dann ihr Ge-sicht, den Kopf gesenkt und die Schultern bebend, als weinte sie über ihre Erinnerungen. Der Homunkulus, der in meinem Bauch lebte, drängte murrend und fluchend heraus. Ich lockerte den Gürtel meines Bademantels, verspürte jedoch noch immer keine Erleichterung für meinen grummelnden Magen. Meine Füße und Hände, in denen sich Wasser zu stauen schien, taten mir weh, und als ich mit den Fingern mein Gesicht berührte, fühlte sich die Haut meiner Wangen straff und zart an. Je mehr Marie weinte, desto dicker wurde ich, und als ich in den Spiegel sah, schaute mich ein Fettsack an. Mein Gewicht hatte sich verdoppelt, und meine Gesichtszüge wirkten durch den wasserballgroßen Kopf ganz klein. Mein Bauch sprengte fast den Bademantel, die Nähte sich zum Zerreißen spannten. Meine Finger und Zehen fühlten sich an wie pralle Würste, und meine Beine waren so stämmig wie Totempfähle. »Endlich werde ich schön rundlich«, sagte ich scherzend zu dem alten Mann, doch meine Stimme klang piepsig, als hätte ich Helium eingeatmet.
    »Du bist ein Zeppelin«, entgegnete er. »Rundherum zu kugelig, um dich im Zaum zu halten.«
    »Ich habe das Gefühl, als würde ich gleich platzen.«
    Mit einer einzigen raschen Bewegung machte er einen Schritt von mir weg, fasste Marie an der Schulter und drehte sie zu uns um. Ein riesiger gelber Ballon mit einer Karikatur meines Gesichts hing an ihren Lippen, und ihre Backen waren aufgeblasen, um den nächsten vielleicht tödlichen Atemstrom hineinzustoßen.
    »Untersteh dich«, ermahnte er sie. Sie sog die Luft ein und zwickte den Ballonhals mit den Fingern zusammen. Mein Kopf schmerzte vor Druck, und aus Angst, sie könnte einen scharfen Fingernagel oder eine spitze Nadel hineinstoßen und mich mit lässiger Geste zum Platzen bringen, konnte ich es kaum ertragen, hinzusehen. Doch stattdessen ließ sie die Luft mit einem einzigen langen Heuler entweichen, sodass das Latex obszön aufjaulte, und gleichzeitig entwich die Luft auf höchst beschämende Weise aus jeder meiner Öffnungen. Doch letztlich war ich erleichtert, wieder zu meiner alten Form zurückgefunden zu haben. Mit

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