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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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nachgedacht? Er stocherte mit der Spitze eines Messers in seinen Zähnen und sog beim Reden die letzte Fleischreste in sich hinein. Unser Gespräch? Die coartación ? Der Preis, Monsieur? Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, bis er fast umfiel, und sagte: Wir könnten dich niemals gehen lassen, Hachard, wie sollten wir denn dann so gut essen? Aber, Master … Er hob die Hand, um ihr zu gebieten zu schweigen, doch sie setzte nach. Ich werde der kleinen Marie alle meine Geheimnisse beibringen. Wohl kaum, sagte er, aber sagen wir mal, du tust es tatsächlich. C’est ne pas un perdreau de l’année . Du bist nicht mehr die Jüngste. Wie wäre es mit hundert Piaster? Ein fairer Preis, nicht wahr?
    Wenn der Betrag sie fassungslos machte, so verriet Hachard keinerlei Gefühlsregung, obwohl ich natürlich wusste, dass der Preis weit über ihrer Vermutung lag. Sie verneigte sich einfach und trug weiter das Geschirr ab, wobei sie sich die Nase an der Schulter ihres Kleides abwischte. Neugierig und ermutigt trat ich an den Master heran und fragte, wie viel ich denn wert sei. Du bist doch noch ein Kätzchen. Er betrachtete mich von Kopf bis Fuß. Sagen wir, dreihundertfünfzig Piaster? Das ist weniger, als ich für dich in Port-au-Prince bezahlt habe. Ich konnte nichts weiter tun als nicken; aber die Summe hätte genauso gut zehnmal so hoch sein können, denn ich hatte noch nie von etwas gehört, das so teuer war wie die Freiheit. Zurück in unserem Zimmer, weinten Hachard und ich gemeinsam. Ein schönes Weihnachten!
    Was kannst du anderes tun, wenn das Leben solche Hindernisse vor dir aufbaut, als durchhalten und auf Gottes Willen und deinen eigenen Verstand vertrauen? Hachard hatte zumindest ihren Mann, der hinter ihr stand, und wusste, dass er sich insgeheim für sie abrackerte. Ich hatte niemanden auf der Welt außer mir selbst. Ich stürzte mich in die Arbeit. Es gab genug zu tun: sechs Kinder großziehen, den Haushalt führen und jedes Rezept aus Hachard herausquetschen.
    Nachdem Gouverneur O’Reilly den Franzosen, den Kreolen und den Akadiern Spaniens eisernen Willen demonstriert hatte, reiste er im nächsten Februar ab, und ein Spanier nahm seinen Platz ein. Egal. Die Gesetze waren reformiert worden, und wir würden nicht zu den alten Gepflogenheiten zurückkehren. Ich hatte den Vertrag über meine Freilassung unter meine Matratze gesteckt und wusch nun an freien Tagen die Wäsche von einigen weniger reichen Haushalten zusammen mit der der LaChances, und am Ende eines Jahres hatte ich fünf Piaster verdient. Da Hachard sich jede nur mögliche freie Nacht als Köchin verdingen konnte, erging es ihr sehr viel besser, sie verdiente dreimal so viel wie ich. Wie sie es versprochen hatte, nahm sie mich immer öfter mit in die Küche und zeigte mir ihre Künste, die sie in den langen Jahren am heißen Herd errungen hatte. Manche Gerichte hatten eine kubanische Note, denn sie übernahm auch Rezepte von den Leuten aus Habana, die nun in New Orleans lebten: Sehr scharf, mit viel Cayenne und anderen Pfeffersorten, und LaChance liebte diese neue Geschmacksrichtung. Je schärfer, desto besser, und als der Sommer kam und im Juli und August die Sonne nur so niederbrannte, sehnte er sich nach etwas Rauch auf der Zunge. Sein Lieblingsgericht war écrevisse épicée …«
    Der alte Mann räusperte sich laut und hielt inne. »Gut gewürzt, n’est-ce pas ? Aber ich weiß nicht, was écrevisse ist.«
    Marie hob den Fuß und stampfte auf den Stiel der Bratpfanne, die, seit sie von der Decke gefallen war, verkehrt herum auf dem Boden lag. Mit einem Ruck, der für das Auge viel zu schnell war, wendete sich die Pfanne, und in ihr brutzelten Dutzende Krebse.
    »Flusskrebse!«, rief Jane. »Ich komme um vor Hunger.« Sie griff in die Pfanne, nahm einen heraus, drehte ihn, streifte mit dem Daumennagel die Schale ab und verschlang ihn dann mit zwei Bissen bis auf den Schwanz. »Oh, sie ist wirklich eine gute Köchin. Bedient euch, Mädchen.«
    Dolly griff zu, und bald johlten die beiden vor Freude über die wunderbaren Geschmacksexplosionen in ihren Mündern. Alice, ein wenig abseits, zögerte. »Ich stille noch und will dem kleinen Kerl keine Bauchschmerzen verursachen.« Ihre Freundinnen futterten munter weiter. »Ach, was soll’s«, sagte Alice dann. »Vielleicht eine.« Sie nahm zwei glänzend rote Flusskrebse, gab mir einen davon, und er schmeckte nach Süße und Feuer.
    Der alte Mann, immer noch auf den Knien, ignorierte unsere

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