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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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ein Glas Schnaps zur Mittagszeit oder ein Krug Bier zum Abendessen. Und es war verständlich, dass sie zum Zeitvertreib mit Männern ihres Alters und Neunundvierzigern wie sie selbst sprachen, die ihr Glück gemacht hatten oder davon träumten, es möge sich ihnen zuwenden. Um die Wahrheit zu sagen: Die ersten Male freute sich Flo, dass sie Freunde trafen, weil Jamie immer in besserer Stimmung heimkam, als er weggegangen war, und wenn Jams außer Haus zechte, konnte er sie letztlich nicht betätscheln. Schlimm genug, dass die Kinder noch immer eines nach dem anderen kamen. Und nie kehrte er stinkend und betrunken nach Hause zurück wie früher ihr Paps, und er schlug sie auch nie, und er sagte immer Danke und Schatz, was war also schlimm daran? »Eben und ich gehen aus«, sagte er ihr eines Weihnachtsabends, und sie hätte ihn bitten sollen, bitten können zu bleiben, doch stattdessen fragte sie nur, wohin sie am ureigenen Tag des Herrn gingen. »In die Höllen«, antwortete Jamie schnaubend. »In die Höllen?« Das kleinste Kind fing an zu schreien. »Was sind Höllen?«
    Eben stand mit dem Hut in der Hand neben ihm. »Höllen sind Orte, wo ein Mann ein Mann sein kann. Unten am Platz sind Kneipen fürs Trinken, Rauchen und für Glücksspiele. Uns gefällt das Aguila de Oro, nicht wahr, Jamie, denn dort spielt jede Nacht eine Gruppe aus Äthiopien, sie können singen wie deine Mama, die dich ins Bett bringt. Ein, zwei Partien Monte, nichts Riskantes.«
    Sie warteten auf ihr Nicken, das sie nur zögerlich erteilte, und schon gingen die Brüder hinaus in die kalte Nacht, um sich unter Amerikaner, Mexikaner, Chilenen, Chinesen und weiß Gott wen zu mischen, und das zu einer Zeit, wenn ein Mann doch zu Hause bei seiner Familie sein sollte. Für ein Kartenspiel gingen sie.
    Der Abfluss der Badewanne gurgelte und sog das letzte Wasser in sich hinein, als wartete er auf ihren Einsatz. Mit einer großen, schwungvollen Bewegung zog sie den Duschvorhang auf und enthüllte eine Wanne voll mit Goldstaub, Nuggets, Barren, Schmuck und Münzen, die Schatzgrube war mindestens fünfzehn Zentimeter tief. Trotz des gedämpften Lichts funkelte es prachtvoll. Ein Meer aus Klunkern. Wir drängten uns um die Badewanne wie um einen Futtertrog.
    »Schön, findet ihr nicht?« Flo stupste Alice und Dolly mit dem Ellbogen an. »Nur zu, Mädels, bedient euch. Ich kann all das nicht mehr brauchen. Geld ist die Wurzel allen Übels.«
    Hinter uns räusperte sich Beckett, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das Baby auf seinem Arm schrie noch immer und wollte nach der Nickelbrille greifen, die auf der langen Nase des alten Mannes saß. Um außer Reichweite zu sein, musste Beckett den Kopf wegdrehen, sprach also von der Seite. »Nicht das Geld, meine Liebe. Der korrekte Spruch lautet: ›Denn die Liebe zum Geld ist eine Wurzel alles Übels‹ Timotheus 6,10. Manchmal wird Liebe mit ›Begierde‹ übersetzt, was meiner liebsten Lesart des griechischen Originals entspricht. Denn was sind wir anderes als die Summe unserer Begierden?« Der kleine Junge steckte dem alten Mann seine Finger zwischen die Lippen, und Beckett tat so, als kaute er sie wie ein wildes Tier. »Ham, ham, ham«, sagte er, und das Kind kreischte vor Freude.
    Als ich mich umdrehte, spähte ich auf die drei runden Hintern der Frauen, die sich über den Schatz beugten und hineingriffen. Nur Marie widerstand der Versuchung, ihre Arme mit noch mehr Armreifen zu schmücken oder sich noch mehr Ringe auf die Finger und Zehen zu stecken. Alice suchte sich ein Collier aus Nuggets aus, und Jane flocht sich eine Goldkette ins Haar. Dolly, die Schlimmste von den dreien, tauchte mit von Goldstaub gesprenkelten Lippen und glitzernden Wangen aus ihrer Prasserei auf, als hätte sie versucht, sich daran zu laben. Wie eine Zauberin zog Flo den Vorhang zu und verbarg das Gefunkel vor unseren neugierigen Augen.
    Seht, sie waren reich, Jamie und Flo, reicher, als sie es je für möglich gehalten hätten, und noch immer floss das Geld in ihr Leben, wie das Meer an die Küste brandet. Als ’61 das fünfte Baby geboren wurde, kauften die Worths ein größeres Haus auf einem Hügel mit Blick auf die Golden Gate Bay, das den Baustil des Oktogonhauses unten auf der Gough Street nachahmte. Wann immer ihnen danach war, nahmen sie im Delmonico’s oder im Sutter House ihr Abendessen ein und achteten nicht auf die Preise, obwohl, kaum zu glauben, ein Abendessen bis zu fünfzehn Dollar kosten konnte. An

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