Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
behielt sie die Goldsucher im umliegenden Tal im Blick und immer ein Ohr offen für den neuesten Tratsch der Stadt. Als Wasserrinnen gebräuchlich wurden, heuerte sie einen Tischler an und ließ an einem zweiten Claim weiter nördlich ein verfeinertes System bauen, das Schlamm und Wasser besser vom Gold trennte. Das Geld floss ihnen schneller zu, als sie es zählen konnten, und mit jeder neuen Technik des Goldsuchens nahmen die Gewinne zu. Fluteten Wasserrinnen ihre Bankkonten, so schossen Wasserkanonen ganze Hänge mit verborgenen Hauptadern weg. Aus Hügellandschaften machten sie Canyons, aus Ebenen Täler. Jams beschäftigte zehn weitere Chinesen an drei weiteren Claims und stellte dann einen Mann namens Murphy aus New South Wales, Australien, an, der von jedem Lee die Tagesfunde einsammelte und darauf achtete, dass sie nicht betrogen. Jedes Claim erwies sich als ergiebig, und noch mehr Land wurde abgesteckt, und noch mehr Chinesen und auch Amerikaner, Rothäute und Schwarze kamen, um für James Worth zu arbeiten, und es schien kein Ende zu geben. Murphy seinerseits heuerte zwei Männer an, die die Arbeit übernehmen sollten, die er zuvor getan hatte, und mit der Zeit gruben insgesamt siebenundfünfzig Goldsucher in sechzehn Claims in den Hügeln von Kalifornien. Und war nicht jeder Einzelne von ihnen ein verdammter Moneymaker? Flo heuerte ein Mädchen an, das Briefe für sie schrieb und ihr die Antworten vorlas, und sie schickte genügend Geld nach Hause, nach Harlan County, sodass ihre Mam und ihr Paps keine einzige Sorge mehr hatten und es außerdem auch für Schwester und Bruder sowie für Jamies Familie reichte. Es war so viel, dass sein jüngster Bruder Eben, der noch eine Kaulquappe war, als sie von zu Hause aufbrachen, über den Western Highway hüpfte und Murphys Stellung übernahm, der so viel verdient hatte, dass er keinen weiteren Tag seines Lebens arbeiten musste, und er tat es auch nicht. Stattdessen segelte er heim zu seiner Frau, dem Känguru – Flo sorgte für alle.
Nach den Bränden von ’51 bauten sie sich in San Francisco ein Haus, ein richtiges großes Herrenhaus, und lebten dort, nachdem sie sich, müde von der Arbeit auf den Goldfeldern, zurückgezogen hatten. Da das Haus auf einem Hügel stand, konnten sie weit über den Pazifik schauen und von ihren Schaukelstühlen die Masten der großen Schiffe zählen, die verlassen im Hafen lagen, weil Kapitäne, Mannschaften und Passagiere, ohne sich weiter um ihre Boote zu scheren, zu den Goldfeldern rannten. Zu Abendzeiten sahen sie den Nebel heranschleichen, sodass manchmal wie in einem Märchenwald nur noch die Spitzen der Spiere und die Krähennester zu erkennen waren.
Schon seit frühester Kindheit hatte Flo von so einem Palast geträumt, zwei Stockwerke hoch, insgesamt acht Zimmer, mit feinsten Möbeln, die per Schiff aus New York, Boston und London herangeschafft worden waren. Wegen der Feuersbrunst bestand Jams darauf, in Stein zu bauen, und eine Zeit lang stach das rote Haus aus den Trümmern der Umgebung hervor. Doch eines gilt für die Kalifornier: Sie bauen rasch wieder auf, was zerstört wurde, und nehmen einen neuen Anlauf, denn sie sind die glückssüchtigsten Menschen auf der ganzen Welt. Im Handumdrehen erstand ein neues San Francisco, besser als das vorige. Als die Kinder kamen, begnügte Flo sich mit dem Leben in der Stadt, während Jamie das Land sowie die Besitztümer managte und alle paar Wochen mehr Goldstaub von den Chinesen heimbrachte. Das erste Kind nannten sie Jessie, nach Mrs. Frémont, und ihr Sohn John C. wurde in demselben Jahr geboren, als auf der Convention weit weg in Philadelphia Mr. Frémont zum ersten Kandidaten der Republikaner für die Präsidentschaftswahl der Vereinigten Staaten ernannt wurde. Es war eine Zeit, in der man stolz war auf das, was man war, und sie waren mittlerweile Kalifornier und hatten Kentucky sauber aus ihren Goldpfannen herausgewaschen.
Bis dahin war Jams ein perfekter Ehemann und Vater, arbeitsam wie eine Ameise, der ihr nie Anlass zu Klage gab, doch als er sich nicht mehr länger hinaus zu den Goldsuchern begeben musste, schlich sich eine Art Trägheit ein. Und dann stellte sein Bruder Ebenezer einen Mann ein, der jene Arbeit übernehmen sollte, für die sie ihn, Eben, nach Westen geholt hatten. Nun blieb den beiden Brüdern wenig, das ihre Zeit ausfüllte, und Müßiggang ist aller Laster Anfang, wie das Bibelwort besagt. Anfangs ging es in diesem Gomorra noch ziemlich harmlos zu,
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