Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
Kaminfeuer hinter ihm und dem Lagerfeuer auf dem Bild hin und her. „Irre ich mich oder bewegt es sich tatsächlich?“, fragte er mehr sich selbst als seine Frau.
Arrows Lächeln verschwand. Prüfend ging sie näher an die Wand und beäugte die alte Frau. Und als diese plötzlich ihren Blick vom Feuer abwandte und Arrow in die Augen sah, stockte ihr der Atem.
„Frau Perchta“, murmelte sie schließlich.
Als sich die alte Frau von ihrem Baumstamm erhob, griff sie mit einer Hand in den Schnee. Den Stab, auf den sie sich dabei stützte, erkannte Arrow sofort wieder. Beim Anblick des zuckenden Hühnerfußes auf der Spitze lief es ihr wiederholt eiskalt den Rücken hinunter.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Anne besorgt, und ohne eine Antwort abzuwarten kam sie auch schon herbeigeeilt. Doch als ihr weder Keylam noch Arrow Beachtung schenkten und nur weiter argwöhnisch die Wand anstarrten, wandte auch Anne endlich ihren Blick.
„Schwester“, stieß sie plötzlich völlig unbedacht aus.
Arrow und Keylam zuckten bei diesem Wort zusammen.
„So sehen wir uns nach all den Jahren wieder“, entgegnete Frau Perchta mit erhellter Miene.
Annes entgeisterte Gesichtszüge wichen ebenfalls einem Lächeln. „Und ich habe schon nicht mehr daran geglaubt, dich in diesem Leben überhaupt noch einmal zu Gesicht zu bekommen.“
„Trotzdem bleibt uns keine Zeit für überschwängliche Begrüßungen, denn ich habe ein dringendes Anliegen an deine Enkeltochter und muss es aussprechen, bevor sie mich entdecken.“
Annes Lächeln erstarb. Die Enttäuschung stand ihr über das Gesicht geschrieben. Und doch verstand sie die Dringlichkeit, die in Perchtas Stimme widerhallte.
„Du musst zu mir in den Holunderwald kommen, schon morgen“, wandte sich die alte Frau an Arrow. „Die Entwicklung der letzten Ereignisse lässt uns keine Zeit mehr, unser Vorhaben noch weiter aufzuschieben. Vor den Grenzen meines Waldes tobt ein Krieg, den ich nicht aufzuhalten vermag und der weitaus abscheulicher ist, als die Grausamkeiten eines endlosen Winters. Was du jetzt brauchst, ist die Hilfe deines Volkes. Wir müssen sie wieder miteinander vereinen, damit sie an deiner Seite kämpfen können.“
„Und wie stellt Ihr Euch das vor?“, warf Keylam ungläubig dazwischen. „Wenn Arrow den Untergrund verlässt, schwebt sie in Lebensgefahr. Die Truppen der Túatha Dé Danann sind überall.“
„Sei unbesorgt. Ich werde ihr eine Leibwache zur Seite stellen, die selbst die alten Könige erzittern lässt. Mit ihrer Hilfe wird sie die Reise unbeschadet überstehen.“
Keylam brodelte innerlich. Es war ihm unbegreiflich, wie Frau Perchta seiner Frau eine solche Reise zumuten konnte. Keine Leibwache der Welt würde die Túatha Dé Danann davon abhalten können, ihr etwas anzutun, so sie die Gelegenheit dazu bekämen. Doch das Schlimmste daran war, dass Arrow sich darauf einlassen würde. Bereits das erste Treffen mit dieser Frau hatte bei ihr einen derart tiefen Eindruck hinterlassen, dass sie ihr blind vertraute. All die negativen Vorurteile und die schlechte Meinung waren seither wie weggeblasen. Und Keylam selbst konnte absolut gar nichts dagegen tun. Am liebsten wäre er in diesem Moment aus der Haut gefahren, doch das noch immer friedlich schlummernde Kind in seinen Armen zwang ihn zur Zurückhaltung.
„Wenn diese Leibwache wirklich so verlässlich ist, warum sucht dann nicht Ihr den Weg zu uns?“, fragte er kritisch.
„Wie du weißt, ist es mir unmöglich, meinen Wald einfach so zu verlassen. Selbst an der Wilden Jagd darf ich nur begrenzt teilnehmen.“
Bevor Keylam ihr ein weiteres Mal widersprechen konnte, legte Arrow ihre Hand auf seinen Arm und beschwor ihn mit einem eindringlichen Blick zu schweigen.
„Was soll ich tun?“, fragte sie.
„Wenn am Abend des morgigen Tages die Sonne untergeht, dann halte dich vor dem See bereit, allein und auch nicht in Begleitung deines Perseiden. Ich werde dir jemanden schicken, der dir den kürzesten Weg an die Oberfläche weist. Sobald du dort angekommen bist, setz dich auf den zweithöchsten Gipfel des sechstniedrigsten Berges und erwarte deine Leibwache. Suche nicht nach ihnen, für das normale Auge sind sie nicht sichtbar. Sie werden dich finden.“ Dann wandte Frau Perchta sich an Anne. „Bist du noch immer im Besitz des Schlafenden Amuletts?“
Anne nickte.
„Gut, dann wecke es und gib es ihr mit auf die Reise.“
Anne beäugte Frau Perchta kritisch. „Aber das Amulett
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