Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
das Leben in ihnen wider. Das mussten sie sein, die Elfen, von denen Smitt gesprochen hatte. Fasziniert ging Arrow auf sie zu, und mit jedem einzelnen Schritt stieg ihre Aufregung. Schon allein die Art dieser Wesen, so vollkommen regungslos an Ort und Stelle zu verweilen, wirkte in höchstem Maße majestätisch. Jedes von ihnen trug langes, weißes Haar und hatte überaus blasse Haut. Ihre langen, weißen Gewänder waren aufwendig mit Silberfäden bestickt, und der Frost, der ihnen anhaftete, ließ sie am ganzen Körper funkeln. Besonders herausstechend waren ihre tiefblauen Lippen.
Als sie den Frostelfen schließlich gegenüberstand, fühlte sie sich sofort auf eine Art und Weise wohl, wie sie es sonst nur kannte, wenn sie in sternenklarer Nacht über eine Landschaft blickte, die von einer unberührten Schneedecke überzogen war. Das zurückhaltende Glück, das in ihr aufstieg, wenn sie sich der Magie der glitzernd weißen Stille bewusst wurde, war unvergleichbar. Solche Winterabende regten die Fantasie an, wie sonst kaum etwas auf der Welt. Man saß am Feuer und ließ sich vom Zauber der kalten Jahreszeit treiben. Und obwohl nur das Knacken der Holzscheite zu hören war, während man schweigend in Marbs treue Knopfaugen oder aus dem Fenster schaute, fühlte es sich an, als würden lichtreine, himmlische Gestalten im Chor ein leises Liedlein singen, das ganz zart seine Fühler ausstreckte, um die Herzen aller zu berühren. Ganz genau so empfand sie in diesem Augenblick.
Die Frostelfen lächelten Arrow an und sie verneigte sich vor ihnen. Wie verzaubert musterte sie die majestätischen Gestalten und bemerkte dabei gar nicht, wie die Sekunden vorbeiflogen, in denen sie sie nur regungslos betrachtete.
„Arrow?“, ertönte es plötzlich aus dem Labyrinth.
Die Frostelfen blickten auf und Arrow wandte sich um. Am Kopfe der Treppe tauchte die Silhouette von Samuel auf und als sie ihm schweigend zuwinkte, breitete er seine Gargoyleschwingen aus, glitt über die Treppe hinweg und landete schließlich neben ihr.
„Bist du allein gekommen?“, fragte sie verwundert.
Er nickte. „Als das Rudel von Fenrir plötzlich wieder aufgetauchte, hat Keylam mich herbeordert. Ihm war nicht bekannt, in welchem Tempo Schneewölfe laufen können. Da die anderen Schlitten noch nicht auf dem Weg waren, hat er sie noch zurückgehalten und mich vorausgeschickt, um nach dir zu sehen. Aber wie mir scheint, hast du die Fahrt gut überstanden.“
„Soweit würde ich nicht gehen“, erwiderte sie und kräuselte ihre Lippen. „Äußerlich sehe ich gesund aus, aber innerlich bin ich tausend Tode gestorben.“
„Ich schätze mal, dass dieser Vorfall nicht ohne Konsequenzen für den vorlauten Zwerg bleiben wird?“, fragte er grinsend. Er liebte es, sich mit Smitt zu messen. Und obwohl dieser jedes Mal den Kürzeren zog, ließ er sich immer wieder von dem Gargoyle provozieren.
„Ich denke mir etwas Schönes aus“, entgegnete Arrow und wandte sich wieder den Frostelfen zu.
Als Sams Blick dem von Arrow folgte, erhellten sich seine sonst so nachdenklichen, besorgten Gesichtszüge.
„Elvar, Dagur, Sindri“, begrüßte er die Frostelfen mit Namen. Freudestrahlend legte er jedem einzelnen von ihnen seine Hand auf ihre Schultern und neigte seinen Kopf. „So viele Jahre sind vergangen und dennoch trage ich euch wie Freunde in meinem Herzen, von denen ich mich gestern erst verabschiedet habe.“
Sie neigten ihre Köpfe und ihrer Mimik nach zu schließen, schien die Freude über dieses Wiedersehen ganz auf ihrer Seite zu sein.
„Wie ich sehen kann, habt ihr meine Freundin Arrow bereits kennengelernt“, sagte der Gargoyle und wandte sich ihr zu.
Noch immer ganz fasziniert von der Ausstrahlung dieser Wesen, trat sie einen Schritt vor.
„Du bist also das sagenumwobene Kind aus der Prophezeiung“, sagte Elvar mit einer Stimme, die auf eine außergewöhnliche Art und Weise vollkommen rein und hell klang, wie Sonnenstrahlen, die sich in einem Kristall brachen.
„Nur, dass aus dem Kind mittlerweile eine erwachsene Frau geworden ist“, erwiderte sie mit Nachdruck, aber dennoch freundlich. Innerlich empfand sie die Bezeichnung als unpassend. Schon schlimm genug, dass sie von Anne und Sally noch immer mit ‚Kind’ angeredet wurde. Während des Sommers hatte sie verstärkt den Versuch unternommen, es den beiden Frauen abzugewöhnen, doch all ihre Bemühungen waren bisher nicht von Erfolg gekrönt gewesen.
„Hast du schon einen Blick in
Weitere Kostenlose Bücher