Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
einen Monat.“
Arrow fiel ein Stein vom Herzen. Nur einen Monat. Das war beruhigend, denn so, wie es in Nebulae Hall auf einmal aussah, hätten es auch Jahre gewesen sein können. Zwar war es ihr nicht so vorgekommen als hätte sie so lange geschlafen, doch es war eine Zeitspanne, mit der sie leben konnte. Dennoch war es seltsam, das alles hier zu sehen.
„Arrow!“, rief eine ihr vertraute Stimme freudig, und noch bevor sie sich ganz nach ihr umdrehen konnte, fiel ihr eine Frau in die Arme, deren rotes Haar sie immer und überall wiedererkennen würde.
Elon drückte sie so fest an sich, dass es sie ganz verwirrte, sie so voller Schwung und Elan zu erleben. Es war vollkommen ungewohnt, als wäre während ihrer Abwesenheit etwas in sie gefahren, das sie zu einer ganz anderen Person gemacht hatte. Sie löste die Umarmung und schaute Arrow mit einem Funkeln in den Augen an, das keine Fragen offen ließ.
„Ihr habt euch vereint“, stellte sie gerührt fest.
„Es ist so wunderbar“, entgegnete sie freudestrahlend. „Als wären all die schlimmen Jahre, die negativen Gedanken und Gefühle nie da gewesen. Plötzlich kommt einem das alles so fremd vor. Und weißt du, was noch geschehen ist? Ich kann mich wieder erinnern! Da sind so viele Dinge, von denen sie ...“ Elon schüttelte den Kopf. „Ich meine natürlich, von denen ich noch wusste. Es ist einfach unglaublich!“ Dann umarmte Elon sie noch einmal und flüsterte: „Danke. Danke für alles, was du für uns getan hast.“ Und als sie sich wieder löste, strahlte sie noch immer über das ganze Gesicht und lief wieder davon.
„Aber was habe ich denn getan?“, fragte Arrow, während sie ihr verwundert nachsah.
„Du hast ihre Herzen berührt“, erwiderte Neve. „Das war es, was sie gebraucht haben, das Wunder, auf das sie gewartet haben. Du hast sie nicht im Stich gelassen und nie den Glauben in sie verloren. Sie wollten dir etwas davon zurückgeben und deshalb haben sie sehr hart an sich gearbeitet. Du hast ihnen die Möglichkeit gegeben, ihre Freiheit zurückzubekommen und nun haben sie das Gleiche für dich getan.“
„Und sie haben sich alle vereint?“, entgegnete Arrow beeindruckt.
Neves Lächeln erstarb. Sie entsandte hilfesuchende Blicke an ihren Bruder.
„Das sollten wir in Ruhe und vor allem nicht hier bereden“, erwiderte er gefasst.
Arrow musterte ihn fragend. Sie wusste sofort, dass sein Blick und sein Tonfall nichts Gutes zu bedeuten hatten. Für gewöhnlich hätte sie sofort die Namen derer in Erfahrung bringen wollen, die es nicht geschafft hatten, denn anders konnte man es wohl kaum bezeichnen. Zu den Aufgaben eines Perseiden gehörte es, vor einer Verbindung die Absichten beider Seiten zu prüfen. Ging eine Gefahr von ihnen aus, galt es, diese zu beseitigen, was nichts anderes als den Tod zu bedeuten hatte. Aber Dewayne hatte recht. Die Klärung solcher Angelegenheiten gehörte an einen anderen Ort und keinesfalls in die Öffentlichkeit. Geduld hatte nie zu ihren Stärken gezählt, dennoch hatte sie lernen müssen, sich in gewissen Situationen darin zu üben.
Während sie die Stufen zum Schloss hinaufging, vergaß sie für einen kurzen Augenblick das Gespräch, das sie gleich führen würde, denn der Ausblick und die vielen ausgelassenen Leute um sie herum gaben ihr das Gefühl, sich in einer anderen Welt zu befinden. So sollte es sein, jetzt, damals und zu jeder anderen Zeit auch. Doch der Schein trog, denn in der Welt außerhalb dieses Gebirges, der realen Welt, ging es ganz anders zu, und dieser Gedanke war frustrierend. Wann immer man einen Schritt nach vorne machte, dann, so schien es, ging es drei zurück. Kaum, dass sie ein Problem, das so viele Jahrhunderte lang diese Welt beherrscht hatte, gelöst hatte, war ein neues aufgetaucht, das es schon einmal gegeben hatte und von dem niemand mehr zu berichten wusste, wie man es richten konnte.
Als Arrow das Schloss betrat, verspürte sie eine Form der Gewohnheit und zugleich auch Erleichterung, denn die Gegenwart der Perchten zeugte davon, dass die unfassbar schnelle Verwandlung von Nebulae Hall wohl doch nicht so vollkommen unmöglich sein konnte. Es gab ihr das Gefühl, nicht zu viel verpasst und ihre Familie und ihr Volk nicht allzu lange im Stich gelassen zu haben.
„Na endlich“, wurde sie von einer gewohnt unhöflichen, jedoch lang vermissten Stimme begrüßt.
In einer verwinkelten Ecke des Schlosses lehnte Smitt an einer Wand und schnippte gelangweilt seinen Ring
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