Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
hätte ich nie gedacht, so etwas einmal zu sagen, aber mit einer Veränderung seines Wesens wäre ich sehr viel besser zurechtgekommen als mit diesem Vertrauensbruch. Noch schlimmer als das ist jedoch die Tatsache, dass er offenbar eine solche Wandlung hervorrufen kann.“
Dewayne wandte seinen Blick ab. Grüblerisch starrte er in die Leere und es schien ihn etwas zu beschäftigen, das ihn noch wütender machte als die Nachricht über Rows vermeintliches Ableben.
„Der Puka hat die Wahrheit gesprochen“, sagte er mit einem Klang von Verbitterung in seiner Stimme. „Dieser verfluchte Verräter!“
Er schlug mit der Faust auf den Boden, erhob sich und wandte sich schließlich ab.
„Row wollte dir eine Falle stellen, richtig?“, fragte Arrow, doch Dewayne antwortete nicht. Neve erhob sich und ging zu ihm. Tröstend umfasste sie seinen Arm und lehnte ihren Kopf an seinen Rücken.
„Wie es aussieht, ist er nicht nur ein Verräter, sondern einer von ihnen“, sagte Keylam enttäuscht. „Niemand sonst verfügt über die Gabe, zu tun, was die Túatha Dé Danann tun. Und nachdem wir nun davon wissen, hatte Dewayne sehr viel mehr Glück, als wir es bis vor wenigen Augenblicken noch geglaubt haben. Der Puka ist aufgetaucht und hat ihn gewarnt. Rows überraschende Rückkehr war ohnehin äußerst fragwürdig. Niemand entkommt den Alten Königen. Wen sie einmal in ihre Finger bekommen, der ist entweder ihr Gefangener oder tot. Es hätte sehr viel mehr als nur ein Wunder bedurft, sich unversehrt aus ihrem Gewahrsam zu befreien.“
„Ja“, sagte Dewayne verärgert, „zumindest wissen jetzt, wie er das angestellt hat! Schließlich ist es keine Kunst, dem Bösen zu entkommen, wenn man ihm angehört.“
„Aber er hat mir damals das Einhorn geschickt“, entgegnete Arrow stirnrunzelnd. „Roga sollte auf mich achtgeben und ich auf sie. Warum tut er so etwas, wenn er einer von ihnen ist?“
„Wir wissen es nicht“, erwiderte Neve resignierend. „Und wir kennen auch nicht die Gründe, die ihn dazu bewogen haben, auf die andere Seite überzuwechseln.“
Arrow senkte den Kopf. Row war also wirklich einer von ihnen. Die ganze Zeit über hatte es den Anschein gehabt, als wäre er Dewayne treu ergeben. Er war seine rechte Hand gewesen und dabei stets so selbstlos erschienen. Ständig hatte er seine eigenen Bedürfnisse hinter die seines Königs gestellt und sich damit, wenn man es genau betrachtete, die perfekte Tarnung verschafft.
„Es tut mir leid, Dewayne“, sagte sie niedergeschlagen.
„Das muss es nicht“, entgegnete er ruhig und wandte sich ihr wieder zu. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Und wer konnte es ihm verdenken? Vermutlich war diese Erkenntnis für ihn ebenso schlimm wie Arrows Verdacht, dass Neve eine Abtrünnige sein könnte. Row stand Arrow nahe, doch bei weitem nicht so nahe, wie er ihrem Bruder gestanden hatte. Für ihn hatte er zur Familie gehört. Man konnte sogar meinen, dass er ihn stets wie einen Bruder betrachtet hatte, genauso wie Neve für Arrow nie einfach nur Dewaynes Frau, sondern immer wie eine Schwester gewesen war.
Dewayne rang sich ein müdes, jedoch ehrliches Lächeln ab und reichte seiner Schwester die Hand.
„Komm“, sagte er, „es ist an der Zeit, dass du dir deine Kleider überziehst und dir ansiehst, warum der Hirsch dich zu uns zurückgeschickt hat.“
Arrow musterte ihn und die anderen erwartungsvoll. Deren Augen funkelten vielsagend, doch obwohl das die Spannung erhöhte, wagte sie nicht, irgendwelche Fragen zu stellen.
Dewayne half ihr auf, und nachdem sie sich, abgesehen von ihren Stiefeln, wieder mit den Sachen, die sie vor noch gar nicht allzulanger Zeit dort abgelegt hatte, eingekleidet hatte, gingen sie zusammen durch die Höhle. Erst jetzt entsann sie sich, dass sie vormals nach oben hin offen gewesen war. Wo man seinen Blick einst noch ungehindert gen Himmel schweifen lassen konnte, schien es nun, als wäre die Öffnung mit frischem Blattwerk abgedeckt. Zarte Lichtstrahlen drangen hindurch und ein merkwürdiger Duft, der den Eindruck erweckte, dass Frühling, Sommer und Herbst sich zusammengefunden und zu etwas Neuem, Außergewöhnlichem vereint hätten, hing in der Luft.
Als Arrow ihren nackten Fuß auf die oberste Treppenstufe setzte, vertieften sich die anfänglichen Eindrücke. Umgeben von riesigen Stängeln, die in derart sattem Grün leuchteten, dass es einfach nicht wahr sein konnte, schritt sie durch diesen Wald, als würde ihr
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