Sommersturm (German Edition)
Spielplatz heißen.
Eine völlig abgedrehte Idee, denn keine der Frauen war bereit, sich stundenlang
von einem halbgaren Typen wie Henry durch die Linse ablichten zu lassen.
Doch
dann bahnte sich Ärger ganz anderer Art an: Urplötzlich standen Dean und
Thielke hinter uns. Sie grinsten, die Kippen lässig im Mundwinkel - als hätten
sie uns bei irgendwas erwischt.
Es
war das erste Mal, dass ich Dean nach dem Überfall auf Betty sah, und der
Anblick seiner selbstgefälligen Visage brachte mein Blut zum kochen.
Augenblicklich verlor ich die Beherrschung, konnte keinen einzigen klaren
Gedanken mehr fassen. Ich sprang auf, um ihn am Kragen zu packen. Dummerweise dachte
ich dabei nicht an Thielke, der nur darauf lauerte, seinen Herrn und Meister
verteidigen zu können. Zum Glück aber behielt Henry die Nerven und sprang
ebenfalls auf. Einen Moment lang schien es, als wolle er sich auf Thielke
stürzen, aber so wahnsinnig war er dann doch nicht. Stattdessen brachte er die
Kamera in Anschlag und richtete sie auf Thielke. Dabei kam er ihm genau so
nahe, dass er einem möglichen Faustschlag gut hätte ausweichen können. Thielke
aber war so verdattert, dass er für einen Moment nicht ans Zuschlagen dachte.
Henry
wurde mutiger und fing an, in Reportermanier auf ihn einzureden:
„Herr
Thielke“, ratterte er los, „wie schätzen Sie die heutige Lage von Müttern und
Kindern auf bundesdeutschen Spielplätzen ein?“
„Halts
Maul, Schwachkopf!“, donnerte Thielke. Henry schien sie trotzdem nicht zu
verstehen. Er redete weiter auf Herrn Thielke ein und ließ ihn keine
Sekunde aus dem Fokus. Dann holte der zum ersten Mal aus. Henry zuckte
reflexartig zurück und Thielke setzte seinen Schwinger ins Leere. Darüber war
er so wütend, dass er es mit der anderen Faust gleich noch mal versuchte. Als
Henry jetzt sogar laut lachte, war es mit Thielkes Zurückhaltung endgültig vorbei. Henry wich ein paar schnelle Schritte zurück,
aber sein Gegner war nicht mehr aufzuhalten und folgte ihm. Sofort machte Henry
auf dem Absatz kehrt und rannte los, was das Zeug hielt. Thielke, schimpfend
und wild die Fäuste schwingend, hinter ihm her. Dann waren beide verschwunden.
Ich hatte keine Angst um Henry, denn er war nicht nur klüger als Thielke,
sondern auch schneller.
Dean
und ich standen da wie Zuschauer. Alles hatte nur ein paar Sekunden gedauert.
Gerade hatte ich mich noch gefragt, was Henry mit seiner wahnwitzigen Aktion
bezweckte, jetzt wusste ich es: Dean stand nun allein neben mir und ich
dachte nicht daran, mir diese Chance entgehen zu lassen.
Mit
beiden Fäusten packte ich Dean am Jackenkragen. Gerade wollte ich ihn ein
bisschen durchschütteln, als ich urplötzlich einen dumpfen Schmerz in der
Magenkuhle verspürte. Instinktiv beugte ich den Oberkörper vor und dann war es,
als ramme mir jemand einen Presslufthammer mitten ins Gesicht. Einen Moment
lang taumelte ich und kippte dann wie ein Sack nach hinten. Zweimal hatte mich
Deans Faust getroffen. Jetzt spürte ich eine warme Flüssigkeit über meine
Lippen rinnen. Ich wischte sie ab. Es war Blut, das aus meiner Nase schoss.
Dean
stand grinsend vor mir und holte gerade zu einem Tritt in meine Rippen aus.
Voll Wut und Panik schaffte ich es, mit einem einzigen Satz wieder auf die
Beine zu kommen und sofort meinen Kopf in Deans Bauch zu rammen. Noch bevor er
umfiel, schlug ich ihm drei- oder viermal mit voller Wucht die Fäuste ins
Gesicht. Als er vor mir auf dem Boden lag, blutete auch er aus der Nase.
„Genug?“,
fragte ich.
Er
stützte sich auf den Ellenbogen und nickte. Ich drehte mich um und sofort war
klar, dass ich das nicht hätte tun dürfen. Dean war hochgesprungen und würgte
mich von hinten. Im Reflex schlug ich mit dem Ellenbogen zurück und traf ihn
voll ins Gesicht. Meine Anfangswut war ein laues Lüftchen gegen das, was ich
jetzt empfand. In mir tobte ein Hurrikan. Ich schlug auf Dean ein, bis er
erneut zusammenklappte. Leise jammerte er vor sich hin. Diesmal fragte ich ihn
nicht, ob es genug war, denn das sah ich auch so.
In
der Ferne sah ich Thielke herankommen, sollte der sich um seinen Kumpel
kümmern. Ich ließ ihn liegen und machte mich auf die Suche nach Henry.
„Du
Sau!“, schrie Dean mir hinterher. „Ich zeig dich an, darauf kannst du Gift
nehmen!“
Sollte
er schreien so viel er wollte, es war mir egal. Das einzige, was mich in diesen
Augenblicken störte war, dass ich keine Genugtuung empfand. Nicht mal, als Dean
winselnd vor mir auf
Weitere Kostenlose Bücher