Sommersturm (German Edition)
und ich, wir hatten es nicht
immer leicht miteinander gehabt und inzwischen mochten wir uns. Aber der
Gedanke, wir könnten ein Liebespaar sein, war absoluter Schwachsinn. So
was Ähnliches sagte ich auch zu Kullik.
„Das
Problem, Julian“, erwiderte er, „besteht nach wie vor nicht darin, dass ich persönlich
Ihnen nicht glaube. Aber Ihre Tante macht mobil. Und natürlich haben Sie ihr
mit Ihrem Angriff auf Ihren Mitschüler erst recht Munition gegeben. Außerdem
hat sie heute gleich mehrere Zeugen benannt, die bereit sind, ihre Aussagen zu
bestätigen.“
„Zeugen?“,
fragte ich. „Was für Zeugen denn? Und Zeugen für was? Ehrlich gesagt verstehe
nur noch Bahnhof.“
„Diese
Zeugen können angeblich in verschiedenen Punkten, die für Sie und Ihre Tante
Bettina belastend sind, Aussagen machen. Teilweise liegen mir solche Aussagen
schon schriftlich vor. Ihre Tante Martha hat ganze Arbeit geleistet, das muss
man ihr lassen.“
Ich
kapierte noch immer nichts. Wie blöd starrte ich Kullik an und wartete auf
bessere Erklärungen.
„Zum
Beispiel habe ich hier die schriftliche Aussage eines Herrn Roger Gerber. Ihnen
bekannt?“
„Allerdings“,
sagte ich und staunte nicht schlecht. „Ein Ex-Lover von Betty. Ein frustrierter Ex-Lover, um genau zu sein.“
Roger,
wie lange hatte ich an den schon nicht mehr gedacht, wie erfolgreich hatte ich
den Gedanken an seine besonderen Qualitäten verdrängt! Nach unserem
Besuch im Stadion war er von einem Tag auf den anderen aus unserem Leben
verschwunden. Soviel ich wusste, hatte er nicht mal mehr eine Aussprache mit
Betty gesucht. Und jetzt das! Wo hatte Martha den bloß ausgegraben? Ihre
detektivischen Fähigkeiten mussten beträchtlich sein.
„Er
mag schon persönliche Gründe für seine Aussage gehabt haben“, vermutete Kullik.
„Aber das tut nichts zur Sache. Aussage bleibt Aussage. Und weder Sie noch Ihre
Tante schneiden dabei besonders gut ab. Vielmehr bestätigt sich scheinbar
alles, was Martha Ihnen vorwirft. Zum Beispiel ist hier die Rede von
verschiedenen Attacken, die Sie angeblich gestartet haben, um Herrn Gerber aus
dem Haus zu drängen. Ich lese hier etwas von bis zur Zerstörung zerstochenen
Autoreifen und wörtlich: psychotischen Lügengeschichten , die Sie Herrn
Gerber über Ihre Tante aufgetischt haben sollen. Dass es Lügen waren, erfuhr er
allerdings erst nach der Trennung.“
„Trennung
ist gut“, höhnte ich. „Verkrümelt hat er sich, dieses Arschloch, sich einfach
aus dem Staub gemacht.“
„Wie
auch immer“, fuhr Kullik fort. „Die Vorwürfe sind konkret. Herr Gerber spricht
von Ihrer krankhaften Eifersucht. Dann haben wir noch die Stellungnahmen einem
ihrer Onkel, Vorname Manfred, und seiner Gattin Olga vorliegen. Dabei geht es
um Vorfälle während der Trauerfeier für Ihren Vater vor eineinhalb Jahren.“
Ich
glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Während der Trauerfeier? Ich überlegte
fieberhaft, aber mir fiel nur ein, dass ich Paul einmal am Kragen gepackt
hatte, nachdem er sich ziemlich mies über meinen Vater ausgelassen hatte. Aber
was sollte das mit Betty und mir zu tun haben?
„Beide
behaupten“, meinte Kullik weiter, „Sie damals in einer äußerst verfänglichen
Situation mit Bettina im Badezimmer erwischt zu haben.“
„Das
wird ja immer besser!“ Ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. „Ich
hab mich auf dem Klo sozusagen nach oben entleert, das stimmt, aber ...“
„Die
beiden behaupten“, unterbrach mich Kullik, „Sie wären mindestens zehn Minuten
mit Bettina gemeinsam im Bad gewesen. Manfred, der zwischenzeitlich ebenfalls
hinein wollte, dies aber nicht konnte, da abgeschlossen war, ...“
„Wie
verdächtig!“
Kullik
fuhr unbeirrt fort: „ ... machte dann seine Gattin Olga auf die seltsamen
Geräusche aufmerksam, die sie ebenfalls deutlich vernahm und so weiter. Zitat
Olga: Auch wenn wir uns damals noch nichts dabei gedacht haben, so sind wir
heute sicher, was für Geräusche das waren. Danach blieb es noch eine ganze
Weile still, bis sie wieder herauskamen. Warum? Und was hatten die beiden
überhaupt so lange im Bad zu suchen? Zusammen! Die Sache ist doch wohl
eindeutig. Wir bereuen, so lange geschwiegen zu haben. “
Kullik
ließ sich in seinem Bürostuhl zurückfallen. Er sah erschöpft aus.
„Ich
bin mir auch sicher“, sagte ich, „was für Geräusche das waren, vollkommen
sicher sogar: Ich habe gekotzt! Und danach bin ich in Ohnmacht gefallen.
Deshalb war es
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