Somnambul Eliza (German Edition)
verabschieden. Langsam und sich beiläufig in alle Richtungen
umschauend, machte sie sich schließlich auf den Weg zum Aufzug. Der Fahrstuhl
befand sich laut Anzeige gerade im Untergeschoss und sie musste warten.
„Ihre Führung hat mir sehr gut gefallen.
Besonders Ihre Ausführungen zu Klimts Leben und Tod waren sehr erhellend
für mich.“
Wieder war es ihm gelungen, sich völlig
geräuschlos zu nähern, obwohl Eliza diesmal sogar nach ihm Ausschau gehalten
hatte. Außerdem war es um diese Zeit, nur wenige Minuten vor Schließung des
Museums, recht ruhig im Haus, so dass man die Schritte der wenigen Besucher auf
dem Parkettboden eigentlich gut, ja fast zu gut hören konnte.
„Es freut mich, dass es Ihnen gefallen
hat. Leider sind Sie ja erst recht spät zu uns gestoßen und haben einiges
verpasst.“
In diesem Augenblick öffnete sich die
Tür des Aufzuges und beide stiegen ein. Die Tür schloss sich und mit einem Mal
waren sie allein. Er stand ihr gegenüber, lässig an die Wand gelehnt und
schaute sie an. Eliza überkam ein eigenartiges Gefühl, das nicht bloß daher
rührte, dass sie keine besonders leidenschaftliche Aufzug-Fahrerin war. Noch
nie hatte sie den kurzen Aufenthalt in einem Fahrstuhl als solch intime
Erfahrung erlebt. Die Anwesenheit des schönen Fremden erfüllte den kleinen Raum
mit einer unterschwelligen, kühlen Erotik und brachte Eliza völlig aus dem
Konzept. Instinktiv verschränkte sie abweisend die Arme vor der Brust.
„Geht es Ihnen nicht gut? Sie sehen aus,
als würden Sie das Fahrstuhl-Fahren nicht besonders gut vertragen.“ Seine
Stimme klang aufrichtig besorgt, seine exotischen Augen waren aufmerksam auf
sie gerichtet.
„Ach es geht schon. Ich reagiere auf
Fahrstühle oft mit einem flauen Gefühl im Magen.“
„Nur noch ein Stockwerk, dann haben Sie
es geschafft. Aber gestatten Sie mir eine Frage? Warum nehmen Sie nicht die
Treppe, wenn Sie die Wahl haben?“
Seine Augen fixierten sie noch immer
besorgt, doch seine Mundwinkel umspielte ein amüsiertes Lächeln.
In diesem Moment öffnete sich die Tür
und Eliza stürzte nach draußen. Sie war ihm noch eine Antwort schuldig.
„Auf diese Weise stelle ich mich meinen
Ängsten“, sagte sie selbstbewusst, doch noch immer etwas blass um die Nase.
Offenbar fand er diese Auskunft sehr erheiternd,
denn er zog auf äußerst charmante Art eine Augenbraue hoch und schenkte ihr ein
strahlendes Lächeln, das seine makellosen weißen Zähne entblößte.
Dann fragte er: „Werden Sie nächste
Woche wieder eine dieser wunderbaren Abend-Führungen leiten?“
„Nein, tut mir leid, nächsten Donnerstag
habe ich frei. Aber am Samstag-Vormittag werde ich hier sein.“
Er wirkte ernsthaft enttäuscht: „Das
kann ich mir leider nicht einrichten.“
Doch gleich darauf hellte sich seine
Miene wieder auf und ein Hauch seines gewinnenden Lächelns kehrte zurück: „Der
Donnerstag-Abend hingegen ist für mich wie geschaffen. Hätten Sie vielleicht
Zeit und Lust, mir eine Stunde Ihrer kostbaren Zeit zu widmen? Ich würde zu
gern noch etwas mehr über den Selbstseher erfahren. Selbstverständlich
werde ich Sie für Ihren Zeitaufwand und die Privatführung angemessen
entlohnen.“
„Solche nichtöffentlichen Führungen sind
im Museum, sofern sie nicht ordnungsgemäß angemeldet werden, leider nicht gern
gesehen. Aber wir können uns dort treffen, um uns über die Kunst zu
unterhalten.“
Er lächelte sie nun strahlend und offen
an und schien sich sichtlich auf ihre Verabredung zu freuen: „Dann um die
gleiche Zeit wie heute?“
„Gut, abgemacht.“ Sie reichte ihm die Hand
und hätte sie fast vor Schreck zurückgezogen, als sie seine eleganten,
feingliedrigen Finger berührte. Seine Hand war kalt wie Eis und die Berührung
ließ sie unwillkürlich frösteln. Eliza selbst hatte häufig mit kalten Händen
und Füßen zu kämpfen und ging kaum einen Abend ohne einen warmen
Kirschkernbeutel ins Bett. Doch solch unbeschreiblich kalte Hände waren ihr
noch nie untergekommen. Offenbar hatte sie den Schrecken nicht verbergen
können, denn er schaute sie einen Moment kritisch, geradezu prüfend an. Dann
verabschiedete er sich eilig und war im nächsten Augenblick verschwunden.
Eliza musste noch ihre Sachen aus dem
Garderobenspint holen, ehe auch sie sich auf den Heimweg machte.
Als
sie das Museumsquartier verließ, war es draußen empfindlich kalt geworden und
Eliza ärgerte sich, dass sie sich von dem herrlichen Sonnenschein am
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