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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Nailik
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tatsächlichen
überirdischen Harmonie seiner Züge schlicht zu banal und nichtssagend. Also
entschied sie sich gegen eine Aufzählung der Details und für eine knappe
Schilderung der Fakten: „Er hat zwei unterschiedlich gefärbte Augen und
überhaupt sieht er ein bisschen aus wie David Bowie, nur noch viel, viel
besser.“
    Nun begannen Stephans Augen zu leuchten:
„Besser als David Bowie? Mir ist noch nie jemand begegnet, der besser
ausgesehen hätte als David Bowie. Eigentlich ist das schon fast ein Ding der
Unmöglichkeit.“
    Eliza glaubte, aus Stephans Worten einen
Anflug von Ungläubigkeit und unterstellter Übertreibung herauszuhören und sie
beeilte sich zu sagen: „Naja, ich habe ihn eben als so wahnsinnig schön
empfunden. Vielleicht wirkt er ja auf andere gar nicht so außergewöhnlich“,
doch noch während sie es aussprach, wurde sein Anblick vor ihrem inneren Auge
erneut heraufbeschworen: „Nein, mit einem solchen Vergleich wird man ihm
ohnehin nicht gerecht.“
    Stephan biss genüsslich ein Stück Crostini ab: „Bist du dir sicher, dass der Typ nicht schwul
ist? Ich denke, deiner Beschreibung nach würde ich ihn nicht von der Bettkante
stoßen.“
    Dann wollte Stephan noch zahlreiche
Einzelheiten wissen und sie musste ihm den gesamten Ablauf der Führung minutiös
wiedergeben. Immer wenn sie auf den schönen Fremden zu sprechen kam und davon
berichtete, wie er die alte Schnepfe in die Schranken gewiesen und Elizas
geliebten Selbstseher verteidigt hatte oder als sie von ihren
Gefühlswallungen im Aufzug erzählte, quiekste Stephan
wie ein vierzehnjähriges Mädchen. Eliza tat das gut, denn sie hatte nie eine
beste Freundin gehabt, mit der sie eben solche Mädchengespräche hätte führen
können. Aus diesen Diskussionen hatte sie sich immer herausgehalten und das
Gefühl gehabt, einfach erwachsener und abgeklärter zu sein, als ihre albernen
Altersgenossinnen. Nun saß sie hier mit ihrem schwulen Nachbarn, beide waren
Mitte 20, in einer noblen Wiener Altbauwohnung und holte bei einem guten Glas
Wein nach, was sie als Jugendliche verpasst hatte. Als Eliza endete, hatte sie
von jeder Einzelheit berichtet, an die sie sich erinnern konnte – lediglich ihr
immenses Erschrecken bei der Berührung der eiskalten Hand hatte sie
verschwiegen. Eliza wusste selbst nicht genau, warum sie es unterließ, dieses
Detail zu erwähnen, zumal es für sie noch immer außerordentlich präsent war.
Sie brauchte nur daran zu denken, schon lief ihr ein leichter Schauer über den
Rücken. Doch sie bemühte sich, diese Empfindung zu verdrängen. Dann wechselten
sie das Thema und redeten noch über dies und das.
    Als Stephan sich schließlich erhob,
theatralisch seine steifen Glieder streckte und sich von Eliza und besonders
höflich von der schlummernden Felis verabschiedete, war es fast 1 Uhr. Eliza
brachte nur noch die Weingläser in die Küche und erhitzte einen
Kirschkernbeutel in der Mikrowelle, dann begab sie sich auf direktem Wege ins
Bett.
    Sie wollte unbedingt mit dem Bild des
Fremden im Kopf einschlafen, um einen romantischen Traum mit ihm zu erzwingen,
doch sie konnte sich kaum mehr auf den Gedanken konzentrieren. Der lange,
ereignisreiche Tag und der Wein forderten ihren Tribut und ließen sie in einen
tiefen, traumlosen Schlaf fallen.
     
    Auch am nächsten Morgen erwachte Eliza
nicht mit den positiven, schwärmerischen Gefühlen, mit denen sie zu Bett
gegangen war, sondern viel mehr mit einem undefinierbaren Schreck, der ihr
durch die Glieder fuhr und ihren Herzschlag beschleunigte. Es war ein bisschen,
als habe eine kalte Hand ihre Wange berührt. Das Bild des schönen Fremden, wie
er ihr lächelnd im Fahrstuhl gegenüberstand, huschte durch ihren Kopf. Abrupt
setzte sie sich im Bett auf und blickte angestrengt in das Halbdunkel des
gemütlichen Schlafzimmers. Da die Rollladen nicht gut schlossen, fiel immer ein
klein wenig Licht von der Straße ins Zimmer und offenbar ging draußen gerade
zaghaft die Sonne auf. Dennoch fingerte Eliza nach dem Lichtschalter der
dämmrigen Leselampe. Noch einmal schaute sie sich im Zimmer um, doch es gab
nichts Ungewöhnliches zu sehen. Felis lag friedlich schlummernd zu ihren Füßen.
    Es war noch früh, lange vor der Zeit, um
die sie üblicherweise aufstand und vollkommen ruhig im Haus. Eliza war
schlaftrunken und versuchte ihre Sinne zu schärfen. Es gab kein Anzeichen
dafür, dass irgendein Geräusch oder eine sonstige Regung für ihr plötzliches,
schreckhaftes Erwachen

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