Somnia Crudeles - grausame Traeume Vol II
morgen sein würde, entfernte sich unendlich weit von ihm. Er war nicht mehr er selbst.
V
Es war Tiberius, der Feigling, der auf einmal Mut bewies. Vielleicht war es bloß Verzweiflung.
Es geschah auf dem Weg in seine Zelle. Der Söldner, der ihn abführte, unterschätzte ihn. Zwar mangelte es Tiberius an Körperkraft, aber seine Schnelligkeit machte das mehr als wett. Als sein Wächter durch das Aufschließen der Zellentür einen Moment lang abgelenkt war, schnappte sich Tiberius das Gewehr von dessen Schulter.
„Keine Bewegung!“
Mit vorgehaltener Waffe nahm Tiberius dem Söldner das Schlüsselbund ab und stieß den Mann in die Zelle.
„Wenn ich auch nur einen Laut von dir höre, komme ich zurück und erschieße dich.“
Er warf die Tür zu. Allerdings blieb nicht viel Zeit, bis die nächste Wache durch die Gänge patrouillierte. Und allein gelang Tiberius die Flucht wahrscheinlich nie. Rasch lief er zu Curios Zelle und öffnete das Schloss. Der ehemalige Gladiator blickte seinen Befreier ungläubig an, zögerte aber keine Sekunde, vom Bett aufzuspringen. Er flüsterte: „Ich danke dir, Tiberius. Schnell, befreien wir Gaius.“
Tiberius flüsterte zurück: „Vergiss es. Die Drecksau soll hier verrotten.“
Curio schüttelte den Kopf: „Ohne Gaius haben wir keine Chance. Oder willst du die Männer töten, die sich uns entgegenstellen?“
„Wenn es sein muss.“
„Mach dich nicht lächerlich, Tiberius. Gleich geht hier der Alarm los, und sie haben uns umstellt. Du weißt, was Cato mit dir tun wird.“
Das war ein gutes Argument, aber Tiberius' Hass auf Gaius wog schwerer. Der Senator weigerte sich strikt, Gaius zu befreien.
Curio sah keine andere Möglichkeit, als ihm das Schlüsselbund mit Gewalt abzunehmen.
Tiberius fluchte ziemlich laut – laut genug, um schlimmstenfalls sämtliche Wachen zu alarmieren. Die Ohrfeige, die Curio ihm daraufhin verpasste, verursachte nicht weniger Lärm.
Mit Mühe unterdrückte Tiberius seine Wut und fügte sich Curios Kommando.
Gaius hörte den Schlüssel im Schloss klimpern. Wollte Cato ihn schon wieder zu sich holen? Was hatte der Mann diesmal mit ihm vor?
Gaius schluckte einen überraschten Laut herunter, als er Curio und Tiberius erblickte. „Das ist kompletter Wahnsinn.“
Ohne nachzudenken, rannten sie über die Flure. Als Tiberius, der schneller war, vor seinen Begleitern die nächste Ecke erreichte, machte er kehrt und rannte zurück.
„Söldner!“
Gaius reagierte sofort. „Gib mir das Gewehr!“
Tiberius gab es ihm. Schießen war ohnehin nicht sein Ding – und töten schon gar nicht.
Gaius hingegen war ein exzellenter Schütze. Der erste Söldner brach sofort zusammen. Ein glatter Kopfschuss. Trotzdem war es aussichtslos. Es waren zu viele, mehr als zehn Männer. Gaius ließ die Waffe zu Boden fallen und hob die Hände. Tiberius und Curio taten es ihm gleich.
Reglos standen sie im Visier der Gewehre. Die Söldner hielten sie in Schach, während sie auf ihren Herrn warteten.
Catos Schritte hallten durch den Flur. Schließlich bahnte er sich eine Schneise zwischen seinen Söldnern und blickte auf die drei Flüchtlinge.
„Sieh an, sieh an.“
Catos Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. „Was ist das hier? Der Aufstand des Spartakus?“
Curio trat vor. Er bückte sich und hob das Gewehr vom Boden auf. Die Söldner legten an, doch Cato befahl ihnen, das Feuer noch nicht zu eröffnen: „Wartet!“
Curio entsicherte die Waffe und hielt sich die Mündung ans Kinn. „Du kriegst mich nicht lebendig, Cato!“
Cato lächelte, als gefalle ihm der Anblick. „Wie theatralisch, Curio. Puste dir nur das Gehirn raus. Ich werde Gaius zwingen, diese Schweinerei vom Boden aufzulecken. Ihr seid nichts als Sklaven. Wann begreift ihr das endlich?“
Curio drückte ab. Den Lauf der Waffe hatte er zuvor blitzschnell auf Cato gerichtet. Das Geschoss traf Catos Bauch. Der große Mann sackte zusammen. Es war alles wie ein sonderbarer Traum. Die Söldner standen wie gelähmt um ihren gestürzten Herrn herum, als stehe die Zeit einen Moment still – einen entscheidenden Moment.
Tiberius nutzte die Gelegenheit. Flink wie ein Wiesel rannte er davon. Curio und Gaius folgten ihm. Jeden Augenblick erwarteten sie einen tödlichen Schuss in ihren Rücken.
Die Liste der zum Tode Verurteilten erweiterte sich an diesem Tag um drei Männer:
Curio, Sohn des Trebius, entflohener Sklave, verurteilt wegen Mordversuchs an seinem Herrn.
Tiberius, ehemaliges
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