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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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geben,
aber…«
    Ich fiel ihm ins Wort: »Aber sicherlich werde ich dann einen
weiteren Umschlag erhalten.« Er schwieg dazu; also hatte ich ins
Schwarze getroffen.
    Harder fuhr von der Autobahn herunter. Wir rasten in
halsbrecherischem Tempo über die Eifelhöhen, vorbei an
Feldern, Weiden und Wäldern, bis es schließlich auf einer
steilen, kurvenreichen Straße nach Daun hinunterging. Noch
immer hatte Harder kein Wort darüber verloren, welche Gedanken
er sich gemacht hatte.
    Erst als wir einige Zeit später in seinem Wohnzimmer
saßen und ich unwillkürlich daran denken musste, wie ich
tropfnass und zutiefst verwirrt zum ersten Mal hier gewesen war,
sagte Harder: »Es hilft alles nichts: Wir müssen den
Kontakt zu Lisa Adolphi suchen.«
    »Ich glaube nicht, dass sie mit mir reden wird. Sie hat ja
deutlich genug gezeigt, was sie von meiner Unschuld
hält.«
    »Genau; deswegen werde ich mit ihr reden.«
    »Dafür wäre ich Ihnen wirklich sehr dankbar.«
Ich meinte jeden Buchstaben so, wie ich ihn gesagt hatte.
    Harder stand auf und führte mich in sein Arbeitszimmer, wo
das Telefon stand. Er schien noch keines dieser Handys oder
schnurlosen Dinger zu besitzen, die immer im unpassendsten Augenblick
den Geist aufgeben. Während er Adolphis Nummer wählte,
setzte ich mich auf eine Couch, die auch im Wohnzimmer einer Kommune
hätte stehen können – wahrscheinlich ein Relikt aus
Harders Studienzeit – und sah mich um.
    Dieser Raum war bemerkenswert. Überall sonst wirkte das Haus
so aufgeräumt und ordentlich und klar, doch hier herrschte das
reinste Chaos. Überall lagen Bücher, Akten, Zeitungen und
auch Papiertüten sowie Pappteller herum. Harder wurde mir noch
etwas sympathischer; in diesem Zimmer geriet seine ehrwürdige
Fassade ins Wanken.
    Jetzt schien er Lisa erreicht zu haben. Er meldete sich sehr
formell und erklärte ihr zunächst, worum es ging. Doch er
hatte offenbar kein Glück.
    »Nein, hören Sie mir doch bitte erst einmal zu«,
bettelte er. Frau Adolphi schien darauf etwas Harsches zu antworten
und er sagte: »Nein, so ist es nicht. Es mag zwar auf den ersten
Blick so aussehen, aber der Fall verhält sich ganz anders.«
Er erklärte ihr noch einmal das Problem meiner Erbschaft sowie
die Bedeutung des Enchiridion Mythologicum. »Ich vermute,
dass der Schlüssel zu den verwirrenden Ereignissen in diesem
Buch liegt«, erklärte Harder. »Deshalb möchte ich
Sie bitten, mit dem Buch in meine Praxis zu kommen. Dort können
wir ungestört und in Ruhe versuchen, das Rätsel zu
lösen.« Es entstand eine Pause; Harder schien angestrengt
zu lauschen. Dann: »Nein, ich kann Ihnen versichern, dass ich
nicht die Absicht habe, Ihnen dieses Buch zu entwenden. Es geht mir
nur im Interesse meines Mandanten Ralf Weiler darum, Licht in diese
dunkle Angelegenheit zu bringen.« Wieder eine Pause. Dann:
»Nein, das Buch selbst wird vermutlich über die ganze
Angelegenheit nichts sagen, aber ich kann Ihnen versichern, dass es
Ihnen trotzdem einen Weg weisen wird. Ich weiß, die ganze Sache
ist sehr zwielichtig, aber vielleicht finden wir so heraus, was mit
Ihrem Herrn Vater wirklich passiert ist.«
    Nach weiteren knapp zehn Minuten hatte Harder seine
Gesprächspartnerin soweit, dass sie einverstanden war, das Buch
in seine Praxis zu bringen und die Polizei nicht darüber in
Kenntnis zu setzen. Harder hatte vernünftigerweise nicht gesagt,
dass ich auch anwesend sein würde. Er legte den Hörer auf
und holte einen Umschlag aus der Schreibtischschublade.
    Diese ständigen Umschläge waren mir suspekt. Aber
diesmal enthielt er eine angenehme Überraschung: zehn
Fünfzig-Euro-Scheine.
    »Zur Überbrückung«, sagte Harder; er wirkte
tatsächlich etwas verlegen. Das Geld stammte wohl von ihm selbst
und nicht von Onkel Jakob. Ich unterschrieb ihm eine Quittung und
steckte die Scheine sehr dankbar ein. Nun war mir wieder ein wenig
wohler zumute. Eigentlich ein toller Kerl, dieser Harder.
    Zusammen fuhren wir zu seiner Praxis. Seine Sekretärin
schaute mich verwundert an, als ich an ihr vorbei in Harders
Büro ging. Sie hatte mich in Gedanken wohl schon auf dem
Schafott gesehen.
    Bereits kurz darauf traf Lisa Adolphi ein. Sie wurde von Harders
Sekretärin ins Büro geleitet – und erstarrte, als sie
mich sah.
    Harder reagierte sofort: »Es hat seine Richtigkeit,
Fräulein Adolphi. Ohne Ralf Weiler kommen wir keinen Schritt
weiter.«
    »Aber… aber…«, stotterte sie und hielt das
Bündel, das sie vor die Brust gedrückt

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