Somniferus
abnehmen?«,
fragte ich und hob meine mit Handschellen zusammengebundenen
Hände.
Der Kommissar nickte lässig dem schmächtigen Polizisten
zu, der mich in dieses Vernehmungszimmer geführt hatte, und
einige Sekunden später rieb ich mir die schmerzenden Gelenke.
Der Polizist verließ den Raum und der Kommissar, der sich mir
als Jürgen Deschemski vorgestellt hatte, lehnte sich auf seinem
altertümlichen Bürostuhl zurück. Es fehlte nur noch,
dass er die Beine auf den Tisch legte. Er musterte mich mit
hochgezogenen Augenbrauen. In seinem Gesicht stand unverhohlener
Ekel.
»Warum haben Sie Adolphi umgebracht?«, fragte er
schließlich, nachdem er hastig den letzten Schluck Kaffee aus
einer schweren Steinguttasse getrunken hatte und diese mit einer
heftigen Bewegung auf den Schreibtisch donnerte.
»Ich habe ihn nicht umgebracht.«
Deschemski zog die Augenbrauen noch höher. »Ich glaube,
diese Lügen können wir uns sparen. Also: warum?«
»Ich lüge nicht.« Und noch einmal erzählte ich
meine Geschichte. Ich gab zu, in das Haus eingestiegen zu sein, und
betonte, dass Adolphi bereits tot war, als ich in die Bibliothek
kam.
»Was wollten Sie denn in der Bibliothek?«
»Nichts, was für diesen Fall von Belang wäre«,
erwiderte ich schnippisch.
Deschemski schaute mich an, als sei ich eine Wanze, die ihn gerade
gebissen hatte. Dann schoss er plötzlich von seinem Stuhl hoch,
als habe er die ganze Zeit auf einer Sprungfeder gesessen. »Was
für diesen Fall von Belang ist, entscheide ich selbst!«,
brüllte er mich an und lehnte sich dabei weit über den
Schreibtisch. Ich roch sein teures After Shave. »Bilden Sie sich
nicht ein, dass Sie es hier mit einem unterbelichteten
Provinzkommissar zu tun haben!« Das schien mir allerdings eine
recht treffende Selbstbeschreibung zu sein. »Ich war früher
nämlich in Düsseldorf und ich kenne alle Aspekte des
Verbrechens, das können Sie mir glauben!«
Wahrscheinlich sollte ich jetzt vor Ehrfurcht erstarren.
Stattdessen fragte ich mich, warum er wohl nicht mehr in
Düsseldorf hinter allen Aspekten des Verbrechens herjagte.
»Ich sage Ihnen, was Sie in der Bibliothek wollten!« Er
stützte sich mit den Armen auf der Schreibtischplatte ab. Immer
mehr Strähnchen aus seiner vorhin noch so sorgfältig
gekämmten Frisur fielen ihm in die Stirn. »Es ist bekannt,
dass Adolphi wertvolle Bücher besaß. Und es soll Leute
geben, die für ein Buch morden. Sie haben Adolphi bestehlen
wollen und er hat Sie erwischt; da haben Sie ihn
umgebracht.«
»Indem ich ihn mit dem Kopf mehrere Male gegen einen Pfosten
seines Regalsystems geschlagen habe? Für wie dämlich halten
Sie mich eigentlich?«
Deschemskis Gesicht lief rot an. Ich befürchtete schon, er
würde nach mir ausschlagen. »Das beweist nur, was für
ein brutales Individuum Sie sind!«, bellte er mich an.
»Dafür werden Sie büßen! Ich hatte in
Düsseldorf mal einen Fall wie Sie!« Er richtete sich wieder
auf, zog die Krawatte zurecht und lächelte mich mit geblecktem
Wolfsgebiss an. »Der Knabe hat sich in der Zelle erhängt.
So, jetzt wissen Sie, wie ich mit Abschaum wie Ihnen umzugehen
pflege.«
Darauf erwiderte ich nichts mehr. Jedes Wort war verschwendet. Ich
konnte nur noch auf einen guten Anwalt und einen Richter mit gesundem
Menschenverstand hoffen – verdammt schlechte Aussichten also.
Eine Diskussion mit diesem Polizisten war vollkommen sinnlos.
Gerade als Deschemski sich wieder setzen wollte, kam ein weiterer
Polizist herein und reichte ihm wortlos ein Blatt Papier. Deschemski
warf einen Blick darauf, zog wieder einmal die Augenbrauen hoch und
sagte dann zu dem Polizisten: »Ich muss sofort weg. Bewachen Sie
solange unseren Mörder.« Er rauschte mit dem Blatt in der
Hand aus dem Zimmer.
Der Polizist blieb neben der Tür stehen und tat so, als
beobachte er mich nicht. Jedes Mal, wenn ich ihm einen Blick zuwarf,
schaute er schnell in eine andere Richtung. Ja, ein solches Monster
wie mich habt ihr selten hier, nicht wahr?, dachte ich. Beinahe
hätte ich laut losgelacht. Ich, Ralf Weiler, erfolgloser
Schriftsteller, friedliebend, ruhig, unauffällig – ich
wurde eines bestialischen Mordes verdächtigt! Etwas so Groteskes
hätte ich mir in meinen wildesten Texten nicht ausdenken
können. Doch leider war meine Situation nicht im geringsten
lustig. Ich steckte tief in der Klemme. Und meine einzige Hoffnung
war, Lisa Adolphi von meiner Unschuld zu überzeugen, denn die
Anklage konnte sich nur auf sie stützen. Wenn
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