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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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hatte, noch
fester.
    Ich hoffte, dass sich darin das heiß ersehnte Buch befand
– und gleichzeitig hatte ich Angst davor, was dann folgen
mochte. Bisher war jeder Schritt in diesem Rätsel ein weiterer
Schritt ins Chaos gewesen.
    »Es ist schon in Ordnung«, versuchte Harder sie zu
beschwichtigen. Seine dunkle, ruhige Stimme, sein seriöses, fast
staubiges Auftreten ermöglichte das, was mir nicht gelungen war:
Lisa Adolphi setzte sich schließlich in den ihr angebotenen
Sessel und hörte Harder wortlos zu, während er versuchte,
mich von allen Sünden – bis auf die des versuchten
Diebstahls und des Hausfriedensbruchs – reinzuwaschen.
    Am Ende schaute Lisa Adolphi mich an und sagte: »Jetzt
weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll. Aber
wer hat dann meinen Vater getötet? Es war doch sonst niemand im
Haus.«
    Harder antwortete für mich: »Ich weiß es nicht. Es
ist jedoch seltsam, dass Ihr Vater – wie Herr Weiler mir sagte
– schon seit einiger Zeit merkwürdige
Geräuschhalluzinationen hatte und auf etwas lauschte, das
offenbar nur er allein hören konnte.«
    In diesem Augenblick erinnerte ich mich an das Gepolter, das ich
vom Keller aus kurz vor Adolphis schrecklichen Schreien gehört
hatte. War wirklich sonst niemand im Haus gewesen? Ich behielt meine
Zweifel für mich.
    Harder fuhr fort: »Genauso war es bei Jakob Weiler, dem Onkel
meines Mandanten. Sie müssen wissen, dass ich ihn recht gut
kannte – so gut, wie man ihn kennen konnte, denn er war sehr
verschlossen. Er hat sich umgebracht. Könnte es da nicht einen
Zusammenhang geben?«
    »Wollen Sie etwa damit andeuten, dass mein Vater -Selbstmord
begangen haben könnte? Auf diese entsetzliche Weise? Das ist
absurd.«
    »Ich habe nicht behauptet, dass es ein Suizid war, aber
jetzt, wo Sie es sagen… Zumindest ist diese Methode denkbar,
wenn auch äußerst bizarr, wie ich zugeben muss.«
Harder fuhr sich mit der Hand über das silberne Haar und
stützte dann den Kopf auf den Händen ab. »Ein bizarrer
Selbstmord, begangen im Zustand unvorstellbarer Furcht. Denkbar
wäre es. Sie sagten doch, er habe verängstigt gewirkt,
oder?«
    Lisa Adolphi nickte.
    »Angst – wovor?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Sie seufzte. »Es ist alles so – verworren.«
    »Vielleicht können wir jetzt etwas Licht in diese Sache
bringen«, sagte Harder. »Haben Sie das Buch
dabei?«
    Zur Antwort wickelte Frau Adolphi das Bündel aus, das sie die
ganze Zeit über gegen ihre Brust gedrückt gehalten hatte.
Sie schälte jenen Pergamentband daraus hervor, den ich bereits
gut kannte. Nun war es endlich soweit! Sie gab das Buch nicht mir,
sondern Heinrich Harder. Er nahm es entgegen und legte es auf seinen
Schreibtisch, ohne auch nur einen einzigen Blick hineinzuwerfen.
    »Was passiert jetzt?«, fragte ich ungeduldig.
    »Ich habe keine Ahnung«, lautete Harders wenig
befriedigende Antwort.
    »Was soll das heißen?«, wollte Lisa Adolphi
wissen.
    »Was nun geschieht, hängt allein von Ihnen beiden ab
– das heißt, eigentlich nur von Ralf Weiler.«
    »Hat Onkel Jakob etwa weitere Instruktionen
hinterlassen?«
    »Ja und nein.«
    »Wie soll ich denn das verstehen?« Ich wurde immer
nervöser. Dort auf dem Tisch lag das Buch, das mir endlich mein
Erbe verschaffte. Lisa Adolphi schien langsam zu glauben, dass ich
nicht der Mörder ihres Vaters war. Der Fall wäre damit
für mich abgeschlossen, gewesen. So dachte ich jedenfalls.
    Dies war nicht meine erste Fehleinschätzung in dieser
mysteriösen Angelegenheit.
    Heinrich Harder versteifte sich in seinem Sessel. Er faltete die
Hände auf der ledernen Schreibtischplatte. »Jetzt, da mir
das Buch vorliegt, muss ich Ihnen eine weitere Mitteilung machen,
Herr Weiler.«
    »Noch ein Brief?«, fragte ich mit einem Seufzer.
»Hätten Sie ihn mir nicht schon früher geben
können? Das hätte mir eine Menge Ärger erspart –
einen Mordvorwurf zum Beispiel.«
    Langsam stieg Wut in mir auf. Harder spielt Katz und Maus mit mir
– und hinter ihm stand der überlebensgroße Schatten
meines Onkels, der sich in der Hölle sicherlich über meine
Situation köstlich amüsierte.
    »Es gibt keinen Brief mehr«, sagte Harder. »Ich
vermute, Ihr Onkel befürchtete, ich könne genau das tun,
was Sie soeben gesagt haben – und ich hätte es vermutlich
wirklich getan. Ich hätte Ihnen sofort alle Briefe Ihres Onkels
überreicht, da mir bereits die Vorstellung, dass Sie für
Ihr Erbe zum Dieb und Einbrecher werden

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