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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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öffnete.
    Mein Herz blieb für eine Sekunde stehen. Wenn nun Deschemski
herauskam…
    Aber es war lediglich eine ältere Dame, die mich freundlich
ansah. Ich atmete auf und zwang mich, sie anzulächeln. Sofort
drückte ich auf den Knopf für das Erdgeschoss.
    Auf der kurzen Fahrt versuchte ich mich wieder zu beruhigen. Es
gelang ganz ordentlich, denn als ich im Foyer am Pförtner
vorbeiging, schaute dieser nicht einmal auf. Einige Sekunden
später atmete ich wieder frische, freie Luft. Niemand verfolgte
mich, keine Sirenen verkündeten die Flucht des schrecklichen
Mörders. Offenbar hatte man den bewusstlosen Polizisten noch
nicht entdeckt. Doch ich durfte mein Glück nicht
überstrapazieren.
    Rasch ging ich in Richtung Innenstadt. Ich lief nach links, kam an
einem Kino vorbei und gelangte schließlich zum Schlossplatz,
auf dem ein Telefonhäuschen stand. Zum Glück besaß
ich aus einem anderen Leben noch eine Telefonkarte mit einem geringen
Guthaben. Zuerst wollte ich Lisa Adolphi anrufen, doch dann
überlegte ich es mir anders. Ich brauchte einen Unterschlupf,
denn nach Manderscheid konnte ich erst einmal nicht mehr
zurückkehren; mein Haus wurde sicherlich bereits bewacht. Der
Einzige, der mir vielleicht aus dieser misslichen Lage helfen konnte,
war der Notar Heinrich Harder. Also rief ich ihn an und erzählte
ihm, was in der Zwischenzeit geschehen war. Ich versicherte ihm, dass
ich mit Adolphis Tod nicht das Geringste zu tun hatte, und er schien
mir zu glauben.
    Nach einer kurzen Pause sagte er: »Ich hole Sie in Wittlich
ab. Es ist aber zu gefährlich für Sie, so lange durch die
Stadt zu laufen. Gehen Sie in die Buchhandlung Fischer-Weins; dort
treffen wir uns.«
    Er beschrieb mir den Weg; ich hängte den Hörer auf und
ging los, wobei ich mich immer wieder umschaute, ob nicht bereits
Polizisten in der Nähe waren.
    Die Buchhandlung Fischer-Weins hatte ich schnell gefunden.
Rasch ging ich hinein. Der Buchhändler kam auf mich zu und
fragte mich nach meinen Wünschen. Ich murmelte nur, ich wolle
mich etwas umsehen, und sofort ließ er mich in Ruhe.
Hoffentlich würde Harder bald kommen.
    Ich blätterte wahllos einige Bücher durch und schielte
immer wieder durch die großen Fenster hinauf auf die
Straße.
    Da!
    Zwei Polizisten! Sie kamen von oben, aus der Richtung des
Polizeipräsidiums. Unwillkürlich wich ich einige Schritte
zurück. Einer der beiden warf einen kurzen Blick in die
Buchhandlung. Es durchfuhr mich wie ein elektrischer Schlag. War ich
entdeckt?
    Sie blieben kurz stehen. Der eine Polizist deutete mit dem Finger
auf die Buchhandlung. Ich drehte mich um und zeigte ihnen den
Rücken. Dabei hielt ich es vor Spannung kaum mehr aus. Kamen sie
näher? War ich verloren? Jeden Augenblick musste die Klingel
über der Ladentür ertönen.
    Aber alles blieb still. Nach einigen Minuten wagte ich mich wieder
umzudrehen und nach draußen zu schauen.
    Die Polizisten waren verschwunden.
    Ich seufzte laut – so laut, dass mich der Buchhändler
fragend ansah. Ich tat so, als vertiefe ich mich wieder in das Buch,
das ich gerade in der Hand hielt. Dann legte ich es wieder weg und
wartete.
    Wartete.
    Wo blieb dieser Harder bloß? Voller Verzweiflung
stöberte ich weiter, bis ich in die Theologie-Ecke kam. Nun
reichte es aber allmählich!
    Die Ladenglocke! Ich zuckte zusammen und warf einen Blick auf die
Tür. Dem Himmel sei Dank, dachte ich. Es war Heinrich Harder.
– Er schien mit dem Verkäufer bekannt zu sein, wechselte
ein paar Worte mit ihm und nahm mich dann zu seinem in der Nähe
geparkten Mercedes mit.
    Als er aus der Stadt hinausfuhr und die Auffahrt zur A 48 in
Richtung Koblenz nahm, sagte er: »Das war ja verdammt knapp. Ich
muss verrückt sein, einem mutmaßlichen Mörder zur
Flucht zu verhelfen.«
    »Sie wissen genau, dass ich kein Mörder bin«,
verteidigte ich mich, »und Sie wissen auch genau, dass ich erst
durch Sie in diese Lage gekommen bin.«
    »Ich hatte Ihnen indirekt geraten, das Erbe nicht
anzunehmen«, sagte Harder vorsichtig.
    »Dazu ist es jetzt wohl zu spät«, seufzte ich.
»Was nun?«
    Harder gab auf der Autobahn Gas, zog auf die linke Spur und
überholte LKW nach LKW. »Ich habe mir ein paar Gedanken
über Ihren Fall gemacht«, sagte er, während er den
Wagen lässig mit nur einer Hand in eine langgezogene Linkskurze
steuerte. »Es hängt alles an diesem seltsamen Buch, an
diesem Enchiridion Mythologicum. Sie müssen mir glauben,
dass ich nicht weiß, was geschehen wird, wenn Sie es mir

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