Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
Vom Netzwerk:
mussten, zuwider war. Aber
leider kannte Ihr Onkel mich besser als ich ihn. Daher kann ich Ihnen
jetzt nur eines sagen: Gehen Sie mit diesem Buch und Ihrem
Personalausweis zur Sparkasse hier in Daun und zeigen Sie dort beides
vor. Dann wird man Ihnen einen Safeschlüssel geben. Was sich in
diesem Safe befindet, weiß ich nicht. Auch die
Sparkassenangestellten haben keine Ahnung, worum es bei der ganzen
Sache geht. Ich selbst habe von nun an mit dieser Angelegenheit
nichts mehr zu tun.« Er stand auf, nahm das Buch mit spitzen
Fingern, als handle es sich dabei um eine vergiftete Frucht, und
übergab es mir.
    Lisa stand ebenfalls auf. »Halt«, sagte sie. »Das
Buch gehört immer noch meinem Vater und damit jetzt mir. Ich
habe nicht vor, es diesem… diesem Herrn zu
überlassen.« Sie warf mir giftige Blicke zu.
    »Es ist Ihr gutes Recht, über Ihr Eigentum frei zu
verfügen«, sagte Harder. »Sie sollten jedoch bedenken,
dass Sie einen Unschuldigen der Justiz überantworten, wenn Sie
den Band wieder an sich nehmen und die Suche nach der Wahrheit an
dieser Stelle abbrechen. Ich bin überzeugt davon, dass der Tod
Ihres Vaters mit diesem Rätsel untrennbar zusammenhängt.
Wollen Sie wirklich, dass diese Ereignisse niemals aufgeklärt
werden?«
    Frau Adolphi zögerte. Ich sagte schnell: »Was halten Sie
davon, wenn wir gemeinsam zur Sparkasse gehen? Dann haben Sie die
Gewissheit, dass ich nicht mit Ihrem Buch durchbrenne, und Sie
erfahren, was in diesem Safe auf uns wartet.«
    »Was auf Sie wartet, wollten Sie wohl sagen«, schnappte
sie gereizt. »Ich habe damit nichts zu tun.«
    »Sie nicht«, entgegnete ich, »aber etwas, das Ihnen
gehört. Was verlieren Sie schon, wenn Sie mich kurz zur
Sparkasse begleiten?«
    Sie überlegte kurz, dann nickte sie. »Na gut. Wir werden
ja sehen, ob wir überhaupt etwas finden oder nur an der Nase
herumgeführt worden sind.«
    Harder hielt uns die Tür auf. Als wir uns von ihm
verabschiedet hatten, raunte er mir zu: »Seien Sie vorsichtig
mit diesem Buch. Den Andeutungen ihres Onkels zufolge ist es
unendlich gefährlicher, als es den Anschein hat.«
    Dann schloss er die Tür hinter uns.

 
10. Kapitel
     
     
    Der Weg zur Dauner Sparkasse war nicht weit. Wir mussten nur die
Rosenbergstraße entlanggehen und liefen dann geradewegs auf das
große, verklinkerte Gebäude zu. Lisa Adolphi trug ihr Buch
wieder selbst; sie hatte es noch im Treppenhaus der Kanzlei von mir
zurückgefordert. Ich schaute mich immer wieder um, ob ich nicht
einen Polizisten sah, der nach mir Ausschau hielt, aber alles blieb
ruhig.
    Es war bereits kurz vor vier Uhr, als wir das Foyer der Dauner
Sparkasse betraten. Ich ging sofort zum nächsten Schalter; Lisa
Adolphi blieb einige Schritte hinter mir. Einer fülligen Dame
mit einer Halbbrille erklärte ich weitschweifig mein Anliegen.
Zuerst schien sie mich nicht zu verstehen, doch dann holte sie den
Filialleiter.
    Während wir warteten, wurde mir mulmig zumute. Was war, wenn
der Filialleiter bereits von der Polizei informiert worden war? Was
war, wenn die Sparkassenangestellte mich bereits anhand des
schlechten Phantombildes aus dem Trierischen Volksfreund identifiziert hatte? Ich hielt es kaum mehr aus. Mein Mund war
wie ausgetrocknet.
    Endlich kam der Filialleiter, ein junger, unscheinbarer Mann, den
man auf der Straße glatt übersehen hätte. Er hielt
eine dünne Akte in einem schwarzen Schoner in der Hand.
»Sie sind Herr Ralf Weiler?«, fragte er mich.
    Ich nickte. Nichts in seiner Miene deutete an, ob er wusste, wer
und was ich sonst noch war – oder sein sollte.
    »Das ist ja eine seltsame Geschichte«, fuhr er fort.
»So etwas hatten wir noch nie, aber schließlich haben wir
eingewilligt. Ich erinnere mich noch gut an Herrn Pastor Weiler -
Ihren Onkel, nicht wahr? Warten Sie, ich habe die Akte hier.« Er
öffnete den Aktendeckel und breitete die beiden Blätter,
die dieser enthielt, auf dem Tresen aus. »Ja, also…«,
murmelte er, »wir benötigen Ihren Ausweis, Herr
Weiler.« Ich gab ihn dem Filialleiter. »Und dann noch
dieses Buch. Wie heißt es noch gleich?«
    »Enchiridion Mythologicum«, half ich ihm.
    »Ja, richtig.« Er lächelte mich an, als hätte
ich gerade eine Preisfrage in einer hirnverbrannten Fernsehshow
gelöst. Ich drehte mich zu Frau Adolphi um, die immer noch einen
Schritt hinter mir stand. Nur sehr zögernd rückte sie das
Buch heraus und legte es auf die Theke. Der Filialleiter schlug es
auf und verglich den Titel und den Namen des

Weitere Kostenlose Bücher