Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
verrückte. Ob er ihm helfen sollte? Sein Seelenlied könnte er auch einmal wieder summen. Die Tür ging auf und Fumè kam herein. Er hatte sich ein Bündel Äste unter den Arm geklemmt. Wieso ließ er sie nicht schweben? Hätte er dessen Zauberkräfte, würde er sich nicht so plagen, dachte Tarabas und malte mit der Fußspitze Kreuze auf den Boden.
»Du ziehst in die Schlacht?«, fragte der Meister und legte das Bündel an Ästen neben dem Tisch ab. Auf seiner Glatze reflektierte das Licht des Leuchtsteins, das von der Schlange über ihm gehalten wurde.
»Sie stellen Hexer.«
Fumè nickte. »Ich weiß, ich weiß.« Er setzte sich an den Tisch und rückte eine Orange um eine Banane. »Die lehren dich zwei, maximal drei Zauber«, mutmaßte er.
Zwei, drei Zauber? Dass sie ihm in den paar Wochen nicht mehr lehren können, hätte sich Tarabas denken können. Einen unbezwingbaren Kämpfer machte das nicht aus ihm. Und was war danach? Zu Fumè zurück? Der würde ihm nie verzeihen, dass er gegen die Abandonier in den Kampf gezogen war. Oder doch? Und wenn er bei einem Hexer in die Lehre ging? Wohl kaum. Die Hexer neideten den magiebegabten Glatzköpflern, dass sie im Vergleich zu ihnen ohne Zauberstäbe des Zauberns mächtig waren.
Und was, wenn er im Kampf fallen würde? Zwei, maximal drei Zauber – das machte ihn berechenbar. Fumè würde ihn nichts lehren, also brauchte er da nicht zu fragen. Und wenn er sich selbst etwas anlernen würde?
»Worüber denkst du nach?«, fragte der Meister.
Tarabas schreckte aus seinen Überlegungen. »Ich brauche Bücher.«
»Bücher?«
»Ja! Deine Bücher. Bitte! Es ist sehr wichtig.«
Fumè seufzte. Dann schälte er eine Banane an, nahm einen Bissen und grübelte. Tarabas würde sie nicht bekommen, das war sicher. Doch vielleicht sah es der Meister ähnlich: So könnte sich Tarabas besser für den Kampf rüsten und die Überlebenschance vergrößern. Dass er in den Krieg ziehen würde, war ihm ohnehin unausredbar.
»Weißt du, wie ich freigekommen bin?«, fragte Fumè, stand auf und tätschelte die Schlange, die den Leuchtstein hielt.
»Naja, sie haben dich eben freigelassen«, stellte Tarabas fest. Womöglich hatte das mit Fumès Veränderung zu tun. Er konnte mit den Augen nichts mehr versinnbildlichen, als wäre Fumè kein Magier mehr, sondern ein gewöhnlicher Glatzköpfler. Hatte man ihn mit einem Fluch belegt?
»Sie haben mich nicht freigelassen. Den Magier Fumè hätten sie niemals freigelassen.«
»Du sprichst in Rätseln.«
»Dann werde ich eben deutlicher. Die Oberen wissen von dem Verdenkzauber.«
»Hm. Gut. Nur – was ist ein Verdenkzauber?«
»Wir Magier können uns an irgendeinen Ort denken. Leider verlieren wir dabei all unsere Zauberkraft. Und das für immer.«
Nie mehr zu zaubern? Das wäre eine Tragödie.
»Die Oberen boten mir an, dass sie mich nicht verfolgen werden, wenn ich auf diese Weise fliehe, weil sie wissen, dass ich ohne meine Zauberkraft keine Gefahr mehr für sie bin.«
Tarabas verstand nicht, wieso Fumè beim Erzählen genussvoll die Banane verschlingen konnte. Ihm wäre der Hunger vergangen.
»Du schaust, als wäre das der Weltuntergang«, sagte Fumè, faltete die Bananenschale zusammen und legte sie auf dem Tisch ab.
»Ist es das denn nicht?«
»Wieso sollte es das sein? Ich bin gesund und frei.«
»Aber du hast deine Zauberkraft verloren. Wirst nie wieder irgendwelche Figuren zum Leben erwecken können oder mit deinen Augen Bilder aufzeigen.«
»Ist das tragisch?«
»Ja, aber natürlich!«
»Ist es nicht. Sieh dir nur die Glatzköpfler an, die nicht zaubern können. Führen sie ein trostloses Leben? Lassen sie die Mundwinkel nach unten hängen? Denk nur an Frigeridus. Der kann auch nicht zaubern, ist aber einer der glücklichsten Samatar. Jeden Abend kehrt er nach Hause zurück und erzählt mit leuchtenden Augen, was er alles auf seinen Reisen erlebt hat. Oder Gundobad, der Maler. Seine Werke strahlen seine lebensfrohe Seele aus.«
»Und wenn er des Malens nicht mehr mächtig wäre?«
»Dann gäbe es etwas anders, das ihn glücklich machen könnte. Es gibt immer etwas.«
»Aber da geht einem das Seelenlied verloren.«
»Das Seelenlied geht einem nur verloren, wenn man unglücklich ist.« Fumè summte sein Seelenlied und zwinkerte ihm zu.
»Nein. Bei mir gibt es nur die Zauberei. Ich wäre lieber tot, als jemand, der nicht mehr zu zaubern in der Lage wäre«, zischte Tarabas.
»Ich will dir die Kriegsbücher aber nur
Weitere Kostenlose Bücher