Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
wenn du mir versprichst, auf all das nur dann zurückzugreifen, wenn du wirklich in eine Notlage gerätst oder einem Schwachen zu Hilfe eilst, eben so, wie du es gesagt hast.«
Es wäre doch nur eine kleine Notlüge. Versprich es ihm! Du musst dich ja nicht daran halten. Dennoch brachte er es nicht übers Herz, Fumè anzulügen. Sind doch nur ein paar Worte! Versprich es ihm! Doch er ignorierte die innere Stimme. Die Gewissensbisse reichten für diesen Tag.
Fumè legte die Hand auf Tarabas’ Schulter. »Du hast ein großes Herz.« Die Augen des Meisters blieben unverändert. Es waren keine Sonnen oder sonstige Naturbilder zu erkennen, und so konnte Tarabas nicht einordnen, wie er das Gesagte aufnehmen sollte. Er drückte die Hand seines Meisters von sich und verließ das Haus, ohne den Friedensgruß zu erwidern. Wieder mal ein Tag, der von Misserfolgen gekrönt war.
Vincent würde eventuell in den Krieg ziehen, Fumè war eingekerkert worden, weil er, Tarabas, darüber tratschen musste, und die Kriegskunst würde er auch nicht gelehrt bekommen, weil er nicht Notwehr, sondern Angriff im Sinn hatte. Ganz toller Tag!
***
Tarabas zerknabberte den Apfel, sein Frühstück, dann beugte er sich aus dem Fenster und warf das Kerngehäuse auf das Schwein, das gerade eine Ziege besteigen wollte. Wie sehr ihm das Gegrunze auf die Nerven ging. Hoffentlich gab es wenigstens bald bessere Milch.
Der Hütte von Kriemulde näherte sich ein Einäugiger mit gebrandmarkten Ohren. Ein Abgesandter der Oberen. Er drückte ein Bündel an die Brust und bückte sich, um etwas unter dem Türschlitz durchzuschieben.
Tarabas hielt in der Kaubewegung inne. Er schob den Vorhang etwas zu, damit er nicht gesehen wurde, und beobachtete den Einäugigen. Der Abgesandte kam auf seine Hütte zu und zog ein Kuvert aus dem Bündel, das dem Schreiben für Vincent ähnelte: Mit dem Stempel der Oberen versiegelt.
Tarabas schluckte das Apfelstück hinunter und ließ sich am Boden nieder. Vielleicht berief man ihn in das Heer, um gegen die Abandonier in den Krieg zu ziehen? Er hörte den Einäugigen husten, und wie er sich die Füße abklopfte. Tarabas wartete, bis nichts mehr zu hören war, dann eilte er hinunter, um sich das Schreiben zu holen.
Hornissengeneral Uldin wird ein Heer befehligen, das gegen die Abandonier zu Felde zieht. Haarige und Glatzköpfler werden aufgerufen, sich dem Heer anzuschließen. Sie bekommen von Hexern in einigen Wochen eine entsprechende Ausbildung zuteil, die es ihnen ermöglicht, im Kampfe zu bestehen. Wem am Wohl Samatas etwas liegt, der möge sich der Sache anschließen.
Das Schreiben zitterte in Tarabas’ Hand, als er wieder in sein Zimmer ging. Vorfreude? Angst? So fühlte es sich also an, wenn sich Träume erfüllen.
… bekommen von Hexern in einigen Wochen eine entsprechende Ausbildung zuteil .
Der Satz verstärkte den Apfelgeschmack auf seiner Zunge. Es kribbelte. Hexer, die sich nicht querstellten wie Fumè und sogar daran interessiert waren, dass man das Kriegshandwerk erlernen würde. Wunderbar!
Vincent hatte sicherlich das gleiche Schreiben erhalten.
Hoffentlich schließt er sich der Sache an! Tarabas fiel auf, dass er seinen Freund nicht einschätzen konnte, ob er am Kämpfen interessiert war. Holzinstrumente schnitzen, das war Vincents Leidenschaft. Mehr wusste er nicht über ihn. Tarabas würde ihn wohl überreden müssen. Noch etwas anderes bereitete Magenschmerzen: Waldipert. Fumès Liebling. Was, wenn sie sich im Kampfe gegenüberstehen würden?
Tarabas beugte sich über den Holzbottich und reflektierte seine Gedanken in das Badewasser. Der Mond stand voll über dem einzigen Weg, der nach Abandonien führte: der von zwei Bergen flankierte Verdammus-Pass. Dort stand das Uldin-Heer versammelt, gerade mal tausend Mann. Die Haarigen mit ihren Schwertern, an deren Seite die Glatzköpfler. Sie blickten auf die wilde und zahlenmäßig weit überlegene Horde der Abandonier. Missgebildete und furchterregende Kreaturen.
Dass Tarabas ausgerechnet dort auf Waldipert traf, war unwahrscheinlich. Und selbst wenn er ihn töten würde, Fumè brauchte davon ja nicht zu erfahren. Er faltete das Schreiben zusammen und entschloss sich, seinem Meister zu erzählen, dass auch Glatzköpfler in den Kampf ziehen sollten und er sich der Sache anschließen würde.
***
Tarabas stand vor dem Aquarium, mit genügend Abstand zum Glas, und hörte, wie der Meister in einem anderen Zimmer etwas
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