Sonea - Die Hueterin
dort, wo das Tal am tiefsten war.
Nicht ein Fleckchen wird verschwendet,
dachte er.
Wie sonst sollten sie eine ganze Stadt ernähren? Aber wo sind die Gebäude?
Eine Bewegung an der Talwand, die ihm am nächsten war, beantwortete diese Frage. Jemand blickte durch ein Loch im Felsen. Einen Moment später erkannte er, dass die ganze Wand von Löchern durchsetzt war, von einem Ende des Tals zum anderen.
Eine in den Fels gehauene Stadt.
Er schüttelte staunend den Kopf.
»Das war bereits hier, als wir das Tal fanden«, erklang eine vertraute Stimme an seiner Seite.
Er sah Tyvara überrascht an. Sie hatte kaum ein Wort gesagt, seit sie sich Savaras Gruppe angeschlossen hatten.
»Natürlich haben wir die Stadt erheblich vergrößert«, fuhr sie fort. »Vieles von dem alten Teil ist eingestürzt und musste, sechzig Jahre nachdem die ersten Verräterinnen sich hier niederließen, ersetzt werden.«
»Wie tief sind die Höhlen?«
»Meistens nur ein oder zwei Räume tief. Die Stadt ist ungefähr halb so groß wie Arvice. Wir haben hier ab und zu Beben, und einzelne Teile stürzen ein. Obwohl wir erheblich besser darin geworden sind zu beurteilen, ob der Fels sicher ist, bevor wir neue Räume schaffen und sie dann mit Magie verstärken, fühlen die Menschen sich doch wohler, wenn sie in der Nähe der Außenwände leben.«
»Ich kann verstehen, warum sie so empfinden.«
Jetzt konnte er erkennen, dass ein Teil des Sockels der Wand durch stabile Torbögen unterbrochen wurde, durch die Menschen die Stadt betraten und verließen. Anderenorts gab es kleinere, in größeren Abständen verteilte Öffnungen. Die Bögen deuteten einen formelleren, öffentlichen Eingang an, und es überraschte ihn nicht, als Savara darauf zuhielt.
Aber nicht lange danach war sie gezwungen, stehen zu bleiben. Eine Menschenmenge hatte sich gebildet. Lorkin wunderte sich nicht darüber, dass viele von ihnen ihn anstarrten. Einige waren offensichtlich neugierig, aber andere wirkten argwöhnisch. Manche hatten eine zornige Miene aufgesetzt, aber ihr Zorn galt nicht ihm. Er galt Tyvara.
»Mörderin!«, riefen einige von ihnen. Es folgten hier und da zustimmende Laute. Aber andere Leute runzelten bei der Anklage die Stirn, und manche protestierten sogar.
»Aus dem Weg«, befahl Savara entschieden, aber nicht wütend.
Die Leute, die ihnen den Weg verstellten, gehorchten. Lorkin las Respekt in ihren Gesichtern, wenn sie Savara ansahen.
Sie ist definitiv eine Verräterin, mit der man sich gutstellen sollte,
ging es ihm durch den Kopf, während die Gruppe ihrer Anführerin zu den Bögen und hinein in die Stadt folgte.
Eine breite, aber niedrige Halle, die von mehreren Säulenreihen getragen wurde, lag vor ihnen.
»Sprecherin Savara«, erklang eine Stimme. »Es freut mich zu sehen, dass du sicher zurückgekehrt bist.«
Die Sprecherin war eine kleine, rundliche Frau, die vom hinteren Teil der Halle auf sie zukam. Ihre Stimme klang befehlsgewohnt. Savara verlangsamte ihre Schritte, während sie ihr entgegenging.
»Sprecherin Kalia«, erwiderte sie. »Hat die Tafel sich versammelt?«
»Alle, bis auf dich und mich.«
Lorkin spürte, dass etwas gegen seinen Arm stieß. Tyvara. Sie formte mit den Lippen einige Worte, aber er konnte sie nicht verstehen, daher beugte sie sich näher zu ihm.
»Andere Partei«,
flüsterte sie.
»Anführerin.«
Er nickte zum Zeichen, dass er verstand, dann musterte er die Frau eingehender.
Das ist also diejenige, die befohlen hat, mich zu töten.
Sie war älter als Savara, wahrscheinlich älter als seine Mutter, da die Rundheit ihres Gesichts die Falten glättete, die eine Frau ihres Alters normalerweise haben würde. Die Schärfe ihres Blicks und die Form ihrer Lippen straften ihr sanftes Auftreten Lügen. Sie verliehen ihr etwas Gemeines, befand er. Aber vielleicht wurde seine Wahrnehmung von dem Wissen getrübt, dass sie ihn tot sehen wollte. Vielleicht fanden andere sie anziehend und mütterlich.
Kalia ließ den Blick über die Mitglieder von Savaras Gruppe gleiten, und ihre Nase zuckte. Lorkin wurde bewusst, dass die Sklavengewandung, die er und einige der anderen trugen, jetzt deplatziert wirkte. Savara wandte sich an zwei ihrer Begleiterinnen.
»Bringt Tyvara in ihr Zimmer und bewacht die Türen.«
Sie nickten, und als sie Tyvara ansahen, trat diese ihnen entgegen. Ohne ihn anzuschauen oder ein Wort zu sagen, schritt sie davon. Savara blickte eine andere Verräterin an.
»Such Evana und Nayshia und lass sie so
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