Songkran
Motorrad in die Rush Hour der Wireless Road eingefädelt hatte. Also war jetzt nur noch die Nachtschicht im Dienst, von der die Mehrheit auf Streife war.
Wie eine kleine Kostbarkeit hielt Gun den silbernen Datenträger zwischen seinen Fingern. Mit dem Ärmel seiner Uniformjacke polierte er leicht die reflektierende Oberfläche. Dann schob er die Disk in den Computer. Irgendwo musste ein Anhaltspunkt zu finden sein. Eine auffällige Person, eine Geste oder ein Vorfall, dem er oder seine Kollegen zuvor keine Bedeutung beigemessen hatten. Etwas, das die merkwürdige Irrfahrt des Bombenlegers erklärte. Gun betätigte die Vor- und Rückspultaste, sprang von einem Bahnsteig zum nächsten. Mit der Zeit wurde ihm die Statur und Kleidung von Muu vertraut, so dass er ihn leichter im Gewühl der Menschen auf den Bahnsteigen finden konnte. Nichts Verdächtiges war zu erkennen. Gun erhob sich aus seinem Ledersessel und machte Dehnübungen. Er hoffte, so wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Das Fenster zur Wireless Road zog ihn magisch an. Sein geliebter Lumphinipark lag in der Dunkelheit vergraben. Das Licht der hohen Straßenlaterne beleuchtete schwach das massive Eingangstor, das er jeden Morgen zum Frühsport durchtrabte. Wie ein im Käfig gefangenes Raubtier wanderte Gun von der einen zur anderen Seite des Raumes und wieder zurück. Dann setzte er sich an den PC. Müdigkeit stellte sich ein.
22 Uhr 45: Gun griff zur Kaffeetasse und nahm einen Schluck. Der abgestandene Kaffee war kalt. Etwas war ihm aufgefallen. Er spulte die Disk zurück. Dann fror er das Bild ein. Konzentriert starrte er auf den Monitor. Das Standbild zeigte die Metrostation Sukhumvit. Ein schmaler, langer und sauberer Bahnsteig. Gun zählte die Personen. Außer Muu weitere 15 Wartende, zwischen denen jeweils ein großer Abstand herrschte. Mit einem Klick der rechten Maustaste setzte er die Figuren in Bewegung. Geradlinig näherte sich ein junger Mann dem wartenden Muu. Beim Vorbeigehen streifte er beinahe dessen Rücken. Warum diese körperliche Nähe? Platz war kein Mangel. Ganz wenig streckte Muu seinen rechten Arm nach hinten aus. Der Fremde berührte mit seiner Hand die Hand des anderen. Oder irrte sich Gun? Er zoomte auf die Hände der beiden Männer. Klatschte nicht der Fremde Muus Hand ab? Er zoomte auf die Gesichter. Grinsten nicht beide, als sie dies taten? Volltreffer! Die beiden Männer kannten sich.
23 Uhr 20: Gun konnte seinen Augen nicht trauen. Der tote Student von Bang Yai war zur gleichen Sekunde auf dem Bahnsteig der Metrostation Chatuchak. Muu verließ den Waggon, in den Ukrist im Begriff war einzusteigen. Auch hier wieder eine flüchtige, zufällige Berührung. Ein Abklatschen der Hände. Auch das Grinsen der beiden Studenten fehlte nicht.
0 Uhr 15: Akribisch hatte Gun alle weiteren Stationen auf Auffälligkeiten untersucht. Die Endstation von Muus Reise, die Metrostation unter dem Hauptbahnhof Hua Lamphong, brachte den letzten Volltreffer. Eine schöne, junge Frau, möglicherweise wenige Jahre älter als Noi, stieß mit Muu zusammen. Rechts und Links wäre ausreichend Platz gewesen. Obwohl sich dieser Vorfall von den anderen Begegnungen unterschied, spürte Gun die Vertrautheit dieser beiden Menschen.
Für den Polizeiinspektor bestand kein Zweifel mehr: Diese vier Personen waren an der Bombendrohung in der Nana Plaza beteiligt gewesen. Möglicherweise gab es mehr Beteiligte und Mitwisser; das war mit dem aktuellen Ermittlungsstand nicht zu beantworten. Mit dem Zoom vergrößerte Gun die Gesichter der Verdächtigen, bis sie optimal erkennbar waren. Dann druckte er sie farbig auf Hochglanzpapier aus. Er legte die vier Farbdrucke mit den Porträts nach unten in seine Schreibtischschublade und verschloss diese mit einem Schlüssel. Jetzt kannte Gun vier Gesichter. Und er kannte einen Namen: Ukrist Hirankrailart.
Der Blickfang
Montagnacht
„You like condom?“, fragte Anne Number Two in ihrer unwiderstehlich unschuldigen Art. Der 35jährige Australier mit dem Dreitagebart und mittellangen Haaren gab sich schwerfällig.
„Condom?“, murmelte er skeptisch.
„Yes, a condom.“
Zur Illustration hielt ihm die kecke Bartenderin das Corpus Delikti vors Gesicht, einen Bierhalter aus Kunststoff, dessen Gattung humorvoll in Bangkoker Barkreisen condom genannt wird. Dieses Kondom war grün und trug die Werbeaufschrift der dänischen Brauerei Carlsberg.
„Ah, a condom! Yes sure, why not!“, rief er erleichtert, um dann
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