Songkran
DSI? Das Versteck des Studenten war aufgeflogen. Warum? Anstatt vom DSI, bekommt der Student Besuch von der chinesischen Mafia. Auftragsmord? Aber wer sind die Auftraggeber?
Er legte Stift und Papier in die Schublade. Draußen war es bereits dunkel. Gun griff zum Telefon. Zögernd ließ er den Hörer in der Hand wippen. Sollte er seinen direkten Vorgesetzten Chaiyon über die Neuigkeiten informieren? Gun schätzte und vertraute dem Superintendent, kannte aber dessen Harmoniebedürfnis. Auch hatte Gun keinen Beweis für seine Thesen. Alles nur Vermutungen. Und eines war klar: Dieser Sache ohne Absegnung von Polizeichef Thanee nachzugehen, bedeutete Ärger, Unannehmlichkeiten und disziplinarische Konsequenzen. Wenn es gut ausging!
Plötzlich musste Gun schmunzeln. Anstatt sich Sorgen über seine weitere Zukunft im Polizeidepartment zu machen, stand der Ärger mit seiner Frau kurz bevor, wenn er sie nicht anrief. Eine Notlüge war schnell gefunden: Erhöhte Arbeitsbelastung wegen den bevorstehenden Songkrantagen. Nachdem Gun den Haussegen gerettet und erleichtert den Telefonhörer auf die dafür vorgesehene Vorrichtung gelegt hatte, klopfte Noi sanft an die Tür.
„Sir, Sie müssen die Protokolle noch unterschreiben.“
In der letzten Stunde hatte das Schreibbüro die Tonbandaufnahmen der Bauarbeiter und der Jaomae in Reinform gebracht. Gun unterschrieb. Seine Empfehlung für die Anklagebehörde, dass von einer Haftstrafe abzusehen sei, hatte er bereits auf seinem PC verfasst und ausgedruckt.
„Ein Bote muss die Unterlagen zur Staatsanwaltschaft bringen. Am besten jetzt noch.“
„Um die Uhrzeit sind die nicht mehr da“, gab Noi zu bedenken.
Gun blickte auf seine Armbanduhr.
„Sie haben recht. Also hat das Zeit bis morgen. Haben Sie sonst noch was für mich?“
Noi schüttelte den Kopf. Gun überlegte, ob er der jungen Kollegin von seiner Entdeckung erzählen sollte. Dringend suchte er eine Bestätigung seiner These. Noi spürte, dass ihr Chef unter Anspannung stand.
„Sir, kann ich noch was für Sie tun?“
Gun winkte lächelnd ab.
„Gehen Sie ruhig nach Hause. Bis morgen.“
Solange er nichts Näheres wusste, konnte er nicht verantworten, die unerfahrene Kollegin einzuweihen und zur Mitwisserin zu machen.
Als Noi gegangen war, rief Gun umgehend den Leiter der Polizeistation Bang Yai an und erkundigte sich nach dem Namen und der Adresse des erschossenen Studenten. Und er ersuchte den Kollegen, ihm ein Foto des Toten zu zufaxen. Anfangs zögerte der Kollege, da er offiziell keine Zuständigkeit besaß. Auf Intervention von Polizeichef Thanee sei die Aufklärung der Schießerei in die Hände des DSI verlegt worden. Gun wunderte sich, warum der Polizeichef einen weiteren Fall an die Konkurrenz abgegeben hatte. Das sah einem Machtmenschen wie Thanee nicht ähnlich. Mit Erfolg konnte Gun an die Kollegialität unter einfachen Revierleitern appellieren. Der leitende Inspektor von Bang Yai versprach, ein Foto des Toten umgehend durchzufaxen.
Schwungvoll lehnte sich Gun in seinem Sessel zurück und betrachtete das portable Faxgerät, das neben seinem Schreibtisch stand. Seine Fingerspitzen tippten leicht auf der Sessellehne. Drei Minuten verweilte Gun abwartend in dieser bequemen Sitzposition, dann sprang das Faxgerät seines Büros an.
„Verdammt!“, fluchte er leise hörbar.
Fehlanzeige! Das Gesicht des Toten war ihm unbekannt. Das Foto zeigte nicht den Studenten mit dem Spitznamen Muu, dem sie im Oktober so nahe gekommen waren. Der Beweis für seine These blieb aus. Über dem Foto des Toten, wahrscheinlich ein Passfoto, hatte jemand handschriftlich den Namen Ukrist Hirankrailart vermerkt.
„Dein Name ist also Ukrist. Warum wurde dein Name nicht in dem Artikel erwähnt? Wer hat da seinen Einfluss geltend gemacht? Wer bist du? Wer sind deine Komplizen? Was habt ihr euch dabei gedacht, mit dem Feuer zu spielen?“
20 Uhr 20: Gun ging zum Stahlschrank und schloss den winzigen Tresor auf, für den nur er einen Schlüssel besaß. Er holte die CD mit den Bahnsteigaufnahmen heraus. Niemand wusste, dass er im Besitz dieser 30 Minuten Film war. Er öffnete die Bürotür und schaute auf den Flur. Leere! Niemand seiner Männer war zu sehen. Aus dem Aufenthaltsraum am Ende des Ganges strömten die sentimentalen Klänge einer Luk Thung Ballade. Gun mochte diese melancholische Countrymusik. Mex war vor Stunden gegangen. Gun hatte von seinem Bürofenster aus beobachtet, wie sein Stellvertreter sich mit dem
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