Songkran
aufheben wollte, um einen erneuten Wurf zu starten, klingelte das Handy. Der Klingelton war der klassischen James Bond-Melodie von Monty Norman entlehnt.
„Das wurde auch Zeit!“, schrie er mit seiner hohen Stimme ins Telefon und entlud eine Explosivität, die sich seit dem ersten Anruf des Motorradfahrers und der darauffolgenden Yaba-Pille aufgebaut hatte.
„In der Khaosan! Und Gun?...Verstanden! Bleib am Ball!“, brüllte er.
Stark zitternd stand der Hagere im Zimmer und atmete schnell und laut. Seine Stunde der Abrechnung rückte näher. Er schmiss das Telefon aufs Bett und ging in das kleine Badezimmer, wo sich Dusche und Klo die Enge streitig machten. Ein winziges Fenster mit einem löchrigen Insektengitter sorgte für Belüftung.
Er stellte sich vor den fleckigen Spiegel und betrachtete die Tätowierungen, die seine Hühnerbrust zierten. Magische Formeln und sakrale Texte, sogenannte Sak Yants , die den Träger unverwundbar machen sollten. Eine alte Schusswunde hatte eine hässliche Narbe auf der linken Schulter hinterlassen. Die tätowierte Fratze Yanluo Wangs auf dem Handrücken datierte aus dem selben Jahr. Zusammen mit seinem muskulösen Freund hatte er damals die Bruderschaft des kleinen Drachen gegründet. Aus dieser Schnappsidee war eine kriminelle Gang entstanden, die der Bangkoker Polizei einigen Ärger machte. Von den 35 Clubmitgliedern vergammelte bereits mehr als die Hälfte in den Gefängnissen des Landes.
Der Hagere spürte die Hitze am Filter der L&M. Der Teer erzeugte einen bitteren Geschmack an Lippen und Zunge. Nach einem letzten, tiefen Zug wandte er sich von seinem Spiegelbild und ließ die Kippe auf den Teppich fallen. Mit dem Absatz des Schuhs trat er sie aus. Der Revolver lag unter dem Kopfkissen. Die gleiche Waffe, die dem Studenten zum Verhängnis geworden war. Natürlich war sich der Hagere des Leichtsinns bewusst, die Smith & Wesson aufbewahrt zu haben. Unter allen Umständen wollte er mit dieser Tatwaffe seine Rache nehmen für den Tod des Freundes. Die Liquidierung Ukrist Hirankrailarts genügte ihm nicht.
Wahnhafte Gedanken kreisten um das Mädchen und die Smith & Wesson, deren Mündung zwischen ihren fleischigen Schenkeln steckte. Behutsam nahm der Hagere die Waffe unter dem Kissen hervor und streichelte mit der Hand über den polierten Lauf. Dann schwenkte er die sechsgeschossige Trommel seitlich aus, in der drei Kugeln fehlten. Die leeren Kammern ermahnten ihn an seine Rache, die den Schmerz über den Verlust des Freundes lindern sollte.
Er nahm die Mittlere der verbliebenen Patronen heraus und legte sie auf das Nachtschränkchen. Mit Wucht ließ seine rechte Hand die Trommel mehrmals um die eigene Achse rotieren. Dann klappte er sie in den Revolverrahmen zurück.
Die blanke Mündung an die Schläfe haltend eilte er ins Badezimmer. Die Atmungsfrequenz beschleunigte, als sein Gesicht mit den aufgerissenen Augen im Spiegel erschien. Wie ein Wahnsinniger fing er an zu schreien, während der Muskel des Mittelfingers den Widerstand des Abzugshahn überwand; der eingebaute Riegelblock schob sich zur Seite und legte den Patronenboden frei; mechanisch schnellte der Zündstift des Hahns nach vorne in eine der vier leeren Trommelbohrungen.
Minutenlang zitterte sein halbnackter Körper vor dem Spiegel, bis das Adrenalin langsam aus den Blutbahnen entwich. Blutdruck, Herz-und Atmungsfrequenz sanken.
Er verstaute die Smith & Wesson in den Bund seiner Baumwollhose und ging ins Halbdunkel zurück. Mit geballten Fäusten konzentrierte er seine Sinne auf die angespannte Unterarmmuskulatur, um das Zittern unter Kontrolle zu bringen. Dann nahm er sein Handy von der Bettdecke und tippte Wangs Nummer ein.
„Sir, entschuldigungen Sie bitte die späte Störung. Wir wissen jetzt, wo das Mädchen ist“, begann der Hagere unterwürfig das Gespräch.
„Ausgezeichnet! Warte einen Moment!“, antwortete Mr. Wang gut gelaunt. Der Alte legte das Handy neben das antike, chinesische Schachbrett, das aus wertvollem Tropenholz gefertigt war. Die wenigen verbliebenen Spielsteine zeugten von einem harten Kampf gegen seine Lieblingsschwiegertochter. Ihr König, im chinesischen Schach auch General genannt, stand unter Beschuss. Verschmitzt schaute Wang in ihr Pfannkuchengesicht, das konzentriert auf das Spielfeld gerichtet war. Ihr Zögern verriet, dass sie keinen Fluchtweg für den General in der Hinterhand hatte.
„Und? Gibst du auf?“
„Du hast gewonnen“, antwortete sie lächelnd und
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