Sonne über Wahi-Koura
allen, dass Sie gekommen sind. Die Einladung zum Leichenschmaus im Lions gilt für Sie natürlich ebenfalls. Lassen Sie uns meiner Schwiegermutter gedenken.«
Während sich die Männer in Bewegung setzten, strebten Helena und Zane der Kutsche zu, wo sie bereits von den Dienstmädchen und Didier erwartet wurden.
»Mein Beileid!« Beim Klang der Männerstimme schien sich ein Messer in Helenas Magengrube zu bohren.
Fassungslos sah Helena sich um.
»Es hat mich sehr betrübt, vom Tod Ihrer Schwiegermutter zu hören. Und von dem Unglück, das Ihnen widerfahren ist.«
Helena zitterte am ganzen Leib. Wo kam dieser Unhold bloß auf einmal her? Wie konnte er es wagen, sich hier blicken zu lassen? »Gehen Sie mir aus den Augen, Manson, sonst -« Helena versagte die Stimme.
»Warum denn so harsch, Madam?«, spottete Manson. »Ich wollte Ihnen nur mein Mitgefühl ausdrücken.«
»Sie braucht Ihr Mitgefühl nicht!« Newman baute sich vor dem Bankier auf. »Lassen Sie Mistress de Villiers in Ruhe, oder ich schleife Sie an den Haaren zum Hafen und werfe Sie ins Wasser.«
Augenblicklich verging Manson das Grinsen. »Ich verstehe ja, dass Sie Ihre Geliebte schützen wollen, Newman, aber Sie sollten Ihr großes Maul zügeln. Sonst werden Sie alle dafür bezahlen.«
Blitzschnell schoss Newman vor und packte Manson am Kragen.
»Zane, nein!«, rief Helena und legte eine Hand beschwichtigend auf seinen Arm. »Denk an dein Versprechen! Er will dich nur provozieren.«
Newman sah Manson flammend an. »Wagen Sie es ja nicht, sich noch einmal auf Wahi-Koura blicken zu lassen!« Damit ließ er ihn wieder los.
Manson wich zurück und zog sich das Jackett gerade.
Sein schiefes Lächeln beunruhigte Helena. Er wird nicht aufgeben, bis es uns gelingt, ihm irgendwie das Handwerk zu legen, erkannte sie.
Nach dem Leichenschmaus, den das Lions -Hotel sehr vornehm ausgerichtet hatte, kehrten Helena, Zane und ihre Angestellten wieder zum Gut zurück.
Helena war froh, den Trauergästen entronnen zu sein, unter denen sich recht schnell eine heitere Stimmung ausgebreitet hatte. Sie hatte vor Trauer kaum etwas zu sich nehmen können und brauchte jetzt Zeit, um Louise im Stillen zu gedenken.
Auf dem Gut wurde Helena bereits von einer Maori-Abordnung erwartet. Einige junge Frauen und Männer scharten sich um die tohunga.
Was wollen sie hier?, fragte sich Helena. Noch am Tag von Louises Ableben hatte sie Didier ins Maori-Dorf geschickt. Das Angebot, sie bei der Beerdigung zu begleiten, hatten die Heilerin und der Häuptling ausgeschlagen. Nach allem, was Louise ihr kurz vor dem Tod erzählt hatte, hatte Helena Verständnis dafür.
»Was hat das zu bedeuten?«, murmelte sie. »Du solltest sie fragen«, meinte Zane.
»Die tohunga ist sicher hier, um Sie zu der traditionellen Totenfeier einzuladen«, mischte Sarah sich ein, worauf Adelaide sie strafend ansah.
»Verzeihen Sie, Madam«, sagte sie darauf kleinlaut.
Eine Totenfeier? Helena ging der Heilerin entgegen. »Haere mai, Ahorangi. Was führt dich zu mir?«
»Ich dich bitten will, mit deiner Tochter ins Dorf zu kommen. Wir werden Feier für Huias Geist machen. Dabei wir auch Geister für tamahine beschwören, damit sie hat Glück im Leben.« Eine Totenfeier der Maori? Helenas Neugier war geweckt. »Wann soll das Ritual stattfinden?«
»In sieben Tage von jetzt an. Ich sprechen muss mit Geistern von Ahnen. Dann du kommen zu Ort von Tangaroa.«
Als Helena nickte, griff die tohunga nach ihren Händen. »Du jetzt wachen über die Erde hier. Huias Geist wird dich beschützen.«
Damit verabschiedete sie sich mit ihrem Gefolge.
»Was meint sie mit dem ›Ort von Tangaroa‹?«, fragte Helena, als sie nach dem Essen einen kleinen Spaziergang mit Zane unternahm. Die Sonne trat zwischen dicken Wolken hervor, die Regen versprachen. »Den Ort, den ich dir gezeigt habe«, antwortete er. »Den Aussichtsplatz?« Zane nickte.
Helena erinnerte sich an das Seepferdchen. »Und wie läuft so ein Ritual ab?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe nur etwas von dem Neujahrsritual mitbekommen; die Totenrituale werden nur unter Ausschluss der Weißen gefeiert.«
»Aber ich bin eine Weiße!«
»Deine Tochter ist eine Nachfahrin von Madame. Ich kenne mich nicht sonderlich mit den Familienverhältnissen bei den Maori aus, aber ich kann mir vorstellen, dass sie großen Wert auf ihre Abstammung legen. Auch wenn sie sich mit Weißen vermischt haben.«
»Laura ist die Ur-Ur-Enkelin eines Häuptlings«, murmelte
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