Sonne über Wahi-Koura
Helena.
»Dadurch genießt sie hohes Ansehen - genau wie ihre Mutter. Die Maori betrachten Mutter und Kind als Einheit. Du bist für sie fast so etwas wie ein Stammesmitglied.« Zane wandte sich ihr zu und umfasste ihre Taille. »Ich weiß, es ist nicht ganz leicht. Aber du wirst es schaffen.«
Helena lehnte sich an seine Brust. »Das werde ich. Allerdings wünsche ich mir im Moment nur, irgendwohin zu reisen, wo ich keine Sorgen habe.«
»Diese Reise werden wir machen.« Zärtlich küsste Zane ihre Stirn.
»Ich fürchte, ich muss von unserem Geschäft Abstand nehmen«, sagte Silverstone, nachdem er in Mansons Büro Platz genommen hatte.
Manson fiel beinahe die Karaffe mit Limonade aus der Hand.
»Aber Mister Silverstone ...«
»Ich habe ein Angebot von der Südinsel erhalten. Bestes Land, keine Maori. Ich kann sofort mit dem Aufbau der Farm beginnen.« Silverstone lehnte sich mit einem süffisanten Lächeln zurück. »Bisher habe ich noch nicht zugesagt, aber das werde ich - es sei denn, Sie liefern mir endlich die gewünschte Nachricht.«
Manson stellte die Karaffe ab. Seine Hände zitterten. Alles, was er eingefädelt hatte, sollte umsonst gewesen sein? »Madame de Villiers ist gestorben. Es ist nur eine Frage der Zeit bis ...«
»Sie wird sicher Erben haben. Sind die verkaufsbereit?«
»Ich werde der Schwiegertochter ein Angebot unterbreiten.«
»Glauben Sie wirklich, sie geht darauf ein?«
Manson erinnerte sich, wie die junge Frau ihm entgegengetreten war. Sie mochte zart und zerbrechlich wirken, aber ihre Gesichtszüge verrieten Willenskraft und Entschlossenheit.
»Ich werde das Land kriegen, das verspreche ich Ihnen«, versicherte er dennoch.
»Nur leider kann ich auf Ihrem Versprechen keine Schafe züchten!«
»Es ist nur noch eine Frage von wenigen Tagen. Ich habe schon mit der Schwiegertochter gesprochen; sie hat keineswegs die Härte von Louise. Sie wird ganz bestimmt einlenken.«
Silverstone schnaufte ungehalten.
Vielleicht blufft er ja nur, sagte sich Manson, während er sein Gegenüber genau beobachtete. Hätte er wirklich ein besseres Angebot, wäre er sicher gar nicht mehr hier aufgekreuzt.
»Es wäre ein nicht unbeträchtlicher Mehraufwand, die Schafe auf die Südinsel zu bringen«, räumte Silverstone schließlich ein. »Nur aus diesem Grund gebe ich Ihnen eine letzte Chance. Sie haben eine Woche, um das Land zu beschaffen, Manson. Gelingt Ihnen das nicht, werde ich das andere Angebot annehmen.« Damit erhob der Viehbaron sich und verabschiedete sich mit einem knappen Gruß.
Manson zitterte noch immer. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen. Eine Woche nur! Er brauchte einen Plan. Einen todsicheren Plan.
12
Die Tage bis zu der Maori-Totenfeier waren derart angefüllt mit Arbeit, dass Helena kaum dazu kam, an das Ritual zu denken. Mit Hilfe von Monsieur Pelegrin sichtete sie Louises Nachlass und beantwortete Beileidsschreiben. Außerdem beruhigte sie besorgte Kunden, die befürchteten, dass das Weingut schließen werde. Abwechselnd ritten Didier und Monsieur Pelegrin in die Stadt, um Telegramme und Briefe aufzugeben. Natürlich brachten sie stets neue Post mit, unter anderem vom Weinhändler aus Auckland.
Monsieur Rouget zeigte sich tief getroffen über Louises Tod, versicherte Helena jedoch, er werde Wahi-Koura weiterhin die Treue halten.
Ein Klopfen schreckte Helena aus ihrer Bürotätigkeit auf.
»Herein.«
Helena rechnete fest damit, dass es Didier war. Zu ihrer Überraschung trat Zane ein. Er trug einen Obstkorb, und aus seiner Jackentasche lugte ein Päckchen.
»Ich dachte, du könntest eine kleine Erfrischung brauchen.«
Schlagartig traten ihre Kopfschmerzen in den Hintergrund. »Du bist wirklich ein Schatz. Was bringst du mir denn?«
»Mangos, Papayas und Sternfrüchte. Außerdem habe ich dem alten Petersen am Stadtrand Äpfel abgeschwatzt. Und in den nächsten Tagen kannst du dich auf Butternut-Kürbis freuen. Die Köchin hat freudestrahlend verkündet, dass sie ihn einwecken will.«
Helena erhob sich, legte Zane die Arme auf die Schultern und küsste ihn. »Ich danke dir.«
»Und hier habe ich noch was für den kleinen Engel.« Er hielt ihr das Päckchen hin. »Leducs Frau hat sie genäht.«
Ein buntes Stoffpüppchen war in das grobe Packpapier gewickelt.
Helena war gerührt. »Sag Monsieur Leducs Gattin vielen Dank von mir.«
»Ich werd's ausrichten. Wie kommt ihr voran?«
»Das Dickicht lichtet sich. Ich habe fast alle Kondolenzschreiben beantwortet, und
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