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Sonne über Wahi-Koura

Sonne über Wahi-Koura

Titel: Sonne über Wahi-Koura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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ihren Grund und Boden der Bank verpfändeten. Ging der Schuldner bankrott, fiel das Land an die Gläubigerbank, die es dann veräußerte. Dergleichen geschah in Napier zwar selten, denn nur wenige Landbesitzer standen dort hoch in der Kreide. Doch angesichts der Bedeutung von Silverstone hatte Manson ihm zugesichert, sich für ihn umzuhören.
    »Haben Sie Neuigkeiten für mich?«, fragte der Viehbaron.
    Manson nickte. »Ich hätte da etwa dreihundert Hektar für Sie. Beste Lage, sehr fruchtbar.«
    »Wo?«
    »In der Nähe des Wairoa River.«
    »In den Bergen?«
    »Dahinter.«
    »Maori-Land?«
    »Ja, aber in der Hand eines weißen Besitzers.«
    »Und der ist gewillt zu verkaufen?«
    Manson presste die Lippen zusammen. »Bisher noch nicht. Aber es gibt eine durchaus positive Entwicklung.«
    »Sie meinen, der Besitzer geht dem Bankrott entgegen?« Silverstone musterte Manson aufmerksam.
    Der Bankier zwang sich zur Ruhe. Er durfte den gut betuchten Kunden auf keinen Fall verlieren.
    »Nicht so ganz, aber es wird in der nächsten Zeit gewiss eine Reihe von Veränderungen in Napier geben.«
    »Ich verstehe nicht.« Silverstone runzelte die Stirn. Sein Körper spannte sich.
    »Sie haben sicher schon von den Bemühungen gehört, die Prohibition auch hier bei uns einzuführen.«
    Silverstone wirkte verwirrt. »Was hat das mit meinem Land zu tun?«
    »Das Terrain, das ich für Sie im Auge habe, gehört einer Winzerin am Wairoa River.«
    »Ich soll meine Kühe auf einem Abhang weiden?«
    »Nein, Mister Silverstone. Der Weinberg ist nur ein Teil des Besitzes. Dahinter befinden sich weitläufige ebene Flächen, die bislang ungenutzt sind.«
    »Und die Maori, die dort leben?«
    »Niemand kennt die genaue Zahl. Die Besitzerin des Weingutes hat sich mit ihnen arrangiert und gewährt ihnen Schutz. Ich glaube nicht, dass sie Ihnen Schwierigkeiten machen werden.«
    »Und wenn sie sich auf den Waitangi-Vertrag berufen?«
    »Ich glaube kaum, dass sie dieses Abkommen kennen. Im Gegensatz zu anderen Maori in diesem Land leben sie weitgehend isoliert.« Manson machte eine Kunstpause, bevor er mit einem verschlagenen Lächeln hinzufügte: »Und ich glaube kaum, dass es jemandem auffallen würde, wenn sie gänzlich verschwänden.«
    Silverstones rechter Mundwinkel zuckte.
    Was hatte das zu bedeuten? Manson wurde unsicher. War er mit seiner letzten Äußerung zu weit gegangen? Schweißperlen traten auf seine Stirn, während er seinen Geschäftspartner beobachtete.
    Erst nach einer Weile lächelte dieser. »Ich denke auch, dass ich mit dem Problem fertigwerde. Doch bevor ich mich entscheide, würde ich mir das Land gern ansehen. Wäre das möglich?«
    »Natürlich, Mister Silverstone. Ich werde alle notwendigen Vorkehrungen treffen.«
    Manson verkniff es sich, sein Taschentuch aus dem Ärmel zu ziehen und sich über die Stirn zu tupfen. Er ging zur Anrichte, schenkte sich und seinem Gast ein Glas Brandy ein und stieß mit ihm auf das bevorstehende Geschäft an.
    Eine Ewigkeit war es her, dass Louise diesen Weg gegangen war. Wahrscheinlich hätte sie ihn auch weitere Jahre nicht beschritten, doch die zurückliegenden Ereignisse erforderten einen Besuch im marae.
    Louise war ein wenig unwohl dabei. Bei ihrem letzten Besuch hatte es Streit zwischen ihr und dem Häuptling gegeben. Fortan wurden nur noch in den dringendsten Fällen Nachrichten ausgetauscht. Deshalb hatte sie auch nicht vor, mit dem ariki zu sprechen. Aber die tohunga könnte ihr vielleicht einen Rat erteilen.
    Sie folgte dem Weg bis zu der Stelle, wo er sich scheinbar im Unterholz verlor, schob einen tiefhängenden Ast beiseite und verschwand im Busch. Der Pfad war zwischen Farnen und Gräsern kaum auszumachen. Die starken, mit Moosen und Flechten besetzten Baumwurzeln wirkten wie riesige Schlangen, die den Zugang zum Maori-Dorf bewachten.
    Louise schloss die Augen, breitete die Arme aus und berührte die Farne, die am Wegrand wuchsen. Tau benetzte ihre Handflächen. Spinnweben streiften ihr Gesicht und blieben in ihren Haaren hängen. Der Vogelgesang vertrieb ihre Sorgen für einen Moment. Jetzt fühlte sie sich wieder wie in ihrer Kindheit, als die Geschäfte der Erwachsenen sie noch nicht kümmerten und sie davon träumte, einen Feenprinzen zu heiraten.
    Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an. Louise war sich bewusst, dass die bevorstehenden Veränderungen wie eine Flut über ihrem Kopf zusammenzuschwappen drohten. Niemand konnte ihr helfen, außer vielleicht die tohunga des

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