Sonne, Wind und Mord (German Edition)
Die Isabella hatte sich fast eine halbe Stunde
tapfer über Wasser gehalten, als habe das Schiff ein ganz persönliches
Interesse daran, seine Passagiere zu retten. Dann jedoch, als das Schiff der
Küstenwache sie aufgenommen hatte, war alles ganz schnell gegangen. Mit dem Bug
voran war das weiße Segelboot tiefer und tiefer ins Wasser gesunken und in
diesem Augenblick ganz von der Bildfläche verschwunden. Ein trauriger Anblick.
Zurück an Land wartete ein pflichtbewusster,
ernst dreinblickender Polizist mit gescheiteltem schwarzen Haar, einem
Schnurrbart und kleinen dunklen Augen auf die drei Geretteten. Er stellte sich
ihnen kurz als Kommissar Beelham vor und bat sie höflich aber bestimmt, mit
aufs örtliche Polizeirevier zu kommen. Sie folgten widerstandslos. Alle drei
waren von den Strapazen müde und ausgezehrt.
Im Revier eingetroffen, einem, mit der
Polizeizentrale in Rotterdam verglichen, winzigen in Polizeifarben gestrichenen
Gebäude, begann der Kommissar, ihnen einige unangenehme Fragen zu stellen. Um
diese Uhrzeit schien er der einzige im Dienst stehende Polizist hier zu sein.
Kees wunderte das nicht, sie befanden sich schließlich in der Provinz. Ihn
wunderte, nach dem Gespräch, das er noch auf der Isabella mit Hoofdcommissaris
Van Houden geführt hatte, auch nicht die Art der Fragen, die Kommissar Beelham
mit wachsamen Auge an sie richtete. Das meiste davon bezog sich auf den Brand
in Berts Haus und auf den Tod des Hafenmeisters sowie einer weiteren bisher
nicht identifizierten Person. Obwohl in Kees Bloembergs Hinterkopf noch
immer Van Houdens Worte von dem Maulwurf innerhalb der Polizei herumschwirrten,
beantwortete er alle Fragen wahrheitsgemäß. Linda und Ronald gebot er
Stillschweigen zu bewahren. Er kannte diese Verhöre, bei denen eine einzige
falsche Antwort eine Festsetzung von vierundzwanzig Stunden nach sich ziehen
konnte. Es war ein einfaches Spiel für einen gerissenen Polizisten, man musste
nur die richtigen Fragen stellen. Beelham allerdings war, abgesehen von seinem
adlerähnlichen Blick, nicht sonderlich gut im Verhör von Verdächtigen und auch
das wunderte Kees nicht im Geringsten. Wie oft musste der Kommissar hier wohl
Verhöre führen? Ein-, zweimal im Jahr? Beelham stellte Frage um Frage, etwa so,
wie es in jedem Polizeihandbuch zu finden war. Wo waren Sie… Was haben Sie… Wie
sind Sie… Kennen Sie… Die Fragen waren so durchsichtig, dass sich Bloemberg
innerlich längst einem völlig anderen Thema gewidmet hatte.
Mittlerweile fragte er sich selbst, ob Van
Houden mit falschen Karten spielte, so wie Linda befürchtete. Es sprach nicht
viel dafür, aber schließlich war er der Letzte, der in etwa wusste, wo sie nach
ihrer Flucht aus Veere hingefahren, und dass sie mit Kees‘ Boot hinausgefahren
waren. Die Killer konnten das unmöglich gewusst haben. Und so stellte sich
natürlich zwangsläufig die Frage: Hatte „der Dicke“ diesen miesen Kerlen einen
entscheidenden Tipp gegeben? Man musste zugeben: Die Auftragskiller waren ihnen
geradezu unheimlich schnell wieder auf die Schliche gekommen. Sehr eigenartig.
Wenn Nicolas allerdings tatsächlich falsch
spielte, dann waren sie bei der Polizei sicher nicht gut aufgehoben und waren
gut damit beraten, die nächste Gelegenheit zu nutzen, sich den Einflüssen der
Exekutive zu entziehen. Ein Mann mit Van Houdens Befugnissen, konnte sie, wenn
er es darauf anlegte, für mehrere Wochen ohne ersichtliche Gründe hinter Gitter
bringen. Gesetzesänderungen der letzten Jahre zum Schutz vor Terroristen hatten
das möglich gemacht. Sobald ein Anfangsverdacht bestand, konnte man die Leute
festsetzen. Und das würde man sicher auch mit ihnen tun. So lange, bis Van Houdens
Leute eine Geschichte konstruiert hatten, die Kees, Linda und Ronald zu den
Tätern der Brandstiftung und des Mordes an Bert Van Heelig machte. Natürlich
nur, wenn Nicolas wirklich auf der Seite ihrer Gegner stand, aber konnte er das
wirklich? Er war ein guter Freund seines Ziehvaters gewesen. … Kees Gedanken
kreisten für ein paar Sekunden wieder um den verstorbenen Bert Van Heelig. Er
war tot und das Letzte, das Kees an ihn hätte erinnern können, war nicht einmal
eine Stunde später versunken. Einziger Trost war, dass die Isabella den Mördern
den Garaus gemacht hatte. Erbarmungslos hatte Kees Bloemberg das Segelboot über
Berts Mörder hinweg getrieben und sie waren nicht mehr an die Wasseroberfläche
zurückgekommen. Selbst die Küstenwache hatte sie noch
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