Sonne, Wind und Mord (German Edition)
dem
Schriftzug erkannte er die Zeichnung eines smokingtragenden Mannes, dem eine
Hand eine Pistole an den Kopf hielt.
Stoppt den Klimawandel, Pah!
Das war eine Debatte, die Bloemberg völlig kalt ließ. Er
hatte genug eigene Probleme. Mietrückstände, abzuzahlende Kreditraten, eine
nervende Ex-Frau und noch vieles mehr. Für so einen makropolitischen Firlefanz
hatte er einfach keinen Sinn. Selbst wenn es in 100 Jahren ein paar Grad
wärmer, der Meeresspiegel um zig Meter steigen und die Luftverschmutzung so
hoch sein würde, dass man nur noch mit Sauerstoffgerät hinausgehen könnte, ging
ihn das herzlich wenig an. Er lebte im Jetzt. Die Deiche waren stabil; sein
kleines Segelboot lag sicher vertäut im Winterhafen von Veere am Veersemeer, 80
Kilometer südlich von Rotterdam, und die kleine, wenig möblierte 54 m²
Junggesellenwohnung, in der er zumeist triste Feierabendstunden verbrachte, lag
in einem Hinterhof in der Pannekoekstraat. Sie befand sich im dritten Stock
eines alten Backsteingebäudes, direkt über einer Tapas-Bar. So schnell wie die
Spanier würde ihn der Klimawandel sicher nicht treffen. Es interessierte ihn
nicht, was irgendwann einmal sein würde. Bis es soweit war, würde er lange
nicht mehr auf dieser Erde wandeln.
Müde kämpfte er sich hinüber zu seinem Schreibtisch. Es war
der letzte im Großraumbüro der Polizeistelle - direkt neben den Toiletten. Der
Geruch hier war, vor allem kurz nach der täglichen Mittagspause, unerträglich.
Hauptkommissar Nicolas Van Houden, den sie alle nur „den Dicken“ nannten, hatte
ihm diesen Platz zugewiesen, nachdem Bloemberg die Verhaftung einer Bande
Kokainschmuggler verbockt hatte. Das war eine üble Geschichte gewesen, die ihm
jetzt noch nachhing und ihn regelmäßig davon abhielt, ruhig zu schlafen.
„Wer wie ein Stück Scheiße arbeitet, der sollte sich neben
den Toiletten recht wohlfühlen“, hatte Van Houden ihn damals angeblafft.
Bloemberg erinnerte sich genau an dieses Gespräch.
Am Tag nach dem Fehlschlag hatte er zwei Stunden vor dem
Büro des Hauptkommissars gesessen und durch die dünne Rigips-Wand mit angehört,
wie Van Houden sich lauthals mit einem Vertreter des Innenministeriums
gestritten hatte. Schließlich war Bloemberg herein beordert worden und in einem
Wortschwall untergegangen, an dessen Ende seine unrühmliche Degradierung vom
eigenen Büro ins Großraumbüro der Polizeiwache gestanden hatte. Kees wusste,
dass er der Sündenbock für etwas war, das er nicht hatte verhindern können.
Niemand hatte gewusst, dass die gestürmte Lagerhalle mit einem Sprengsatz
versehen worden war. Es war eine Falle gewesen.
„Seien Sie froh, dass Sie Ihren Job noch haben, Inspecteur.
Mehr kann ich nicht für Sie tun“, hatte Van Houden gesagt und dabei -verärgert
über Kees‘ Uneinsichtigkeit - mit der Faust auf den Tisch gehauen.
Seit diesem Tag - es waren sechs Monate vergangen -
herrschte zwischen Kriminalinspektor und Hauptkommissar ein unterkühltes
Verhältnis. Kees Bloemberg, der vor Jahren als einer der talentiertesten
Absolventen der Polizeischule hier angefangen hatte, wurde plötzlich wieder für
Aufgaben herangezogen, die auch ein einfacher Surveillant hätte erledigen
können.
Strafzettel schreiben und Parkkrallen
montieren. Kann es noch schlimmer kommen? Es konnte. Schlecht gelaunt entledigte er sich des grauen
Regenmantels und warf ihn über den hölzernen Bürostuhl; dann setzte er sich an
den Schreibtisch und versuchte, sich einen Überblick über das ganze Chaos zu
verschaffen. Der alte 14-Zoll TFT-Monitor ging in einem gigantischen
Aktenstapel unter. Jemand hatte ihn achtlos auf der Tastatur abgestellt. Die
obersten Hefter hatten sich bereits verselbständigt und waren heruntergefallen.
Elender Papierkram.
Er gehörte an einen Tatort und nicht hinter einen
Schreibtisch. Seine Vorgesetzten sahen das jedoch anders und das frustrierte
ihn nun schon seit Wochen.
Kees Bloemberg seufzte, packte sich den Aktenberg und
stellte ihn gereizt neben dem Schreibtisch ab. Dann raffte er das übrige Chaos
aus losen Blättern und Notizen zusammen und beförderte es mit einer
Handbewegung in den Mülleimer, obwohl das ordnungswidrige Beseitigen von
Dokumenten, vor allem solchen ungeprüfter Natur, dienstrechtliche Schritte nach
sich ziehen konnte. Bisher hatte jedoch noch nie jemand etwas gesagt. Und wenn
schon. In seinen Augen war das alles unwichtiger als der Dreck unter seinen
Fingernägeln.
Zufrieden über die wiedergewonnene
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